Mordverdacht in Kiew

Vermisster belarussischer Aktivist tot in Park aufgefunden.
kiew, minsk Einen Tag nach seinem plötzlichen Verschwinden in Kiew ist der belarussische Aktivist Witaly Schischow erhängt in einem Park in der ukrainischen Hauptstadt aufgefunden worden, nicht weit entfernt von seinem Wohnort. Die Polizei ermittelt eigener Aussage zufolge wegen Mordes. In der Nähe von Schischows Leiche seien persönliche Gegenstände und sein Mobiltelefon gefunden worden. Der ukrainische Polizeichef Igor Klimenko sagte, an Schischows Leiche seien Schrammen an Nase, Knie und Brust festgestellt worden. Weitere Untersuchungen müssten zeigen, ob diese Verletzungen von Schlägen stammten.
Vom Joggen nicht zurückgekehrt
Schischow hatte von Kiew aus die Organisation „Belarussisches Haus der Ukraine“ geleitet, die Exil-Belarussen beim Ankommen hilft. Er war nach einer Joggingrunde am Montag nicht zurückgekehrt, und wurde daraufhin von einer ihm nahestehenden Person als vermisst gemeldet. Zuvor hatte Schischow Medienberichten zufolge darüber geklagt, sich verfolgt zu fühlen. Nach Angaben des „Belarussischen Hauses“ war der Aktivist im vergangenen Jahr aus Angst vor den autoritären Behörden seines Landes in die Ukraine geflohen, nachdem er an regierungskritischen Protesten teilgenommen hatte.
Die belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja drückte Schischows Angehörigen ihr Beileid aus. „Belarussen können nicht einmal im Ausland sicher sein, solange es diejenigen gibt, die sich an ihnen rächen wollen“, schrieb sie im Nachrichtendienst Telegram.
Viele Belarussen fliehen angesichts von Repression in ihrem Heimatland in die benachbarte Ukraine, nach Polen oder Litauen. Der seit fast drei Jahrzehnten regierende Präsident Alexander Lukaschenko war vor einem Jahr trotz massiver Betrugsvorwürfe zum Sieger der Präsidentschaftswahl erklärt worden. Monatelang anhaltende Massenproteste wurden mit einem massiven Einsatz von Sicherheitskräften niedergeschlagen, Hunderte Menschen verhaftet. Lukaschenko geht auch im Ausland gegen Oppositionelle vor. Der Präsident ließ Ende Mai eine Passagiermaschine beim Überflug von Athen nach Vilnius über Belarus abfangen und nach der erzwungenen Landung in Minsk einen Oppositionellen und dessen Freundin festnehmen.
Sorge um Sportlerin
In den vergangenen Tagen hatte der Fall der belarussischen Olympia-Athletin Kristina Timanowskaja für Aufsehen gesorgt. Timanowskaja sollte nach kritischen Äußerungen über Sportfunktionäre ihres Heimatlandes mutmaßlich aus Tokio entführt werden. Mittlerweile steht die 24-Jährige unter dem Schutz der japanischen Polizei und soll demnächst nach Polen ausreisen. Die Athletin sei bereits in direktem Kontakt mit polnischen Diplomaten in Tokio, erklärte Polens stellvertretender Außenminister Marcin Przydacz. Sie habe ein humanitäres Visum erhalten. Der AP sagte die 24-jährige Timanowskaja, ihr sei klar gemacht worden, dass sie auf jeden Fall bestraft werden würde, wenn sie in ihre Heimat zurückgekehrt wäre. „Jetzt will ich erst einmal sicher in Europa ankommen“ sagte Timanowskaja. „Ich würde sehr gerne meine Sportkarriere weiterführen, denn ich bin erst 24 und hatte Pläne für noch mindestens zwei weitere Olympische Spiele. Jetzt erstmal ist das Einzige, was mich beschäftigt, aber meine Sicherheit.“ Auch Österreich wäre bereit gewesen, Timanowskaja aufzunehmen. Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) sagte laut einem Newsletter der Tageszeitung „Die Presse“: „Wir haben sie erwartet. Es liegt an ihr, wofür sie sich entscheidet.“ Die österreichische Botschaft in Tokio sei darauf eingestellt gewesen, der Leichtathletin zu helfen. Doch Timanowskaja habe sich nicht gemeldet. „Österreich duckt sich nicht weg.“
„Jetzt erstmal ist das Einzige, was mich beschäftigt, aber meine Sicherheit. “

Timanowskaja sollte wohl entführt werden.
