Österreich stellt sich gegen Abschiebestopp

Politik / 11.08.2021 • 19:00 Uhr
Österreich stellt sich gegen Abschiebestopp
Die Provinzhauptstadt Farah wurde bereits von den Taliban erobert. Laut US-Geheimdienst könnte auch Kabul bald fallen. AP

Deutschland und die Niederlande setzen diese Praxis aus.

Wien, kabul Die Taliban rücken in Afghanistan immer weiter vor. Nach Abzug der internationalen Truppen erobern die Islamisten eine Provinzhauptstadt nach der anderen. Wegen der prekären Sicherheitslage rieten die Botschafter der Europäischen Union in Kabul dazu, Abschiebungen vorerst auszusetzen. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) stoppte kürzlich eine geplante Abschiebung nach Afghanistan. Deutschland und die Niederlande hören nun damit auf, nach Afghanistan abzuschieben; Österreich nicht. Wie es am Mittwoch aus dem Innenministerium hieß, will die Regierung an ihrem Kurs festhalten. Völkerrechtsexperte Ralph Janik kritisiert diese Entscheidung. Acht Afghanen mit abgelehntem Asylbescheid leben derzeit in Vorarlberg.

Vor Kurzem drängte Österreich mit Deutschland, den Niederlanden, Dänemark, Belgien und Griechenland die EU noch zur Fortsetzung der Abschiebungen nach Afghanistan. Ein Sprecher des deutschen Ressortchefs Horst Seehofer erklärt nun: „Der Bundesinnenminister hat aufgrund der aktuellen Entwicklungen der Sicherheitslage entschieden, Abschiebungen nach Afghanistan zunächst auszusetzen.“ Auch die Niederlande wollen sechs Monate lang nicht mehr in das Krisenland abschieben.

Afghanistan bat im Juli um einen dreimonatigen Abschiebestopp. Einem Abschiebeflug von München in der Vorwoche wurde keine Landeserlaubnis erteilt. An Bord waren auch zwei Afghanen, die aus Österreich abgeschoben werden sollten. Der EGMR stoppte außerdem die Abschiebung eines abgelehnten Asylwerbers aus Österreich. Aufgrund dieser Entscheidung sei die bisherige Praxis im Prinzip nicht mehr möglich, sagt der Völkerrechtler Ralph Janik zu den VN. „Bei einer Abschiebung riskiert man eine Verurteilung. Außerdem lässt es sich faktisch nicht umsetzen.“ Er geht nicht davon aus, dass Österreich eine Verurteilung vor dem EGMR riskiere. „Wir sind ein Land, das sich traditionell an diese Rechtssprechung hält.“

81 abgelehnte Asylwerber

Viele Länder hätten wohl bis zuletzt auf ein Wunder gehofft oder auf Zeit gespielt, vermutet der Experte mit Blick auf den Vormarsch der Taliban. Anders könne er sich das nicht erklären. Auf die Frage, ob in ein Kriegsland abgeschoben werden darf, antwortet Janik: „Jedenfalls dann nicht, wenn im gesamten Land Krieg herrscht oder die Regierung dafür bekannt ist, Geflüchtete bei der Rückkehr zu verfolgen.“

In Vorarlberg leben derzeit 81 rechtskräftig abgelehnte Asylwerber in der Grundversorgung, acht stammen aus Afghanistan. Vor vier Monaten wohnten noch 99 negativ bescheidene Asylwerber in der Grundversorgung. Wie viele sich abseits der Grundversorgung im Land befinden, konnte die Landesregierung nicht mitteilen. Sie verweist auf das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA). Das Innenministerium erklärte, dass es über keine Aufzeichnungen nach den einzelnen Bundesländern verfüge. VN-MIP, RAM