Trotz nächstem Taliban-Sieg bleibt Österreich hart

Auch Frankreich setzt mittlerweile Abschiebungen in das Krisenland aus.
kabul, wien Österreich will von Abschiebungen nach Afghanistan nicht abrücken. Daran ändert auch der fortschreitende Siegeszug der Taliban nichts. Beinahe im Tagesrhythmus erobern die Islamisten eine Provinzhauptstadt nach der nächsten, zuletzt fiel Ghazni, nur 150 Kilometer von der Hauptstadt Kabul entfernt, an sie. Nachdem Deutschland und die Niederlande noch kürzlich mit Österreich und anderen EU-Ländern die Europäische Union zu einer Fortsetzung der Abschiebungen nach Afghanistan drängten, schwenkten die beiden Staaten nun um, setzten die Rückführungen vorerst aus und verwiesen auf die Sicherheitslage in dem Krisenland. Am Donnerstag folgte Frankreich. Österreich bleibt aber hart.
Das Innenministerium in Wien hält an der bisherigen Linie fest. Jeder Staat entscheide für sich, erklärt das Ressort von Karl Nehammer (ÖVP) auf VN-Anfrage. Deutschland habe die Abschiebungen auch nicht generell, sondern nur temporär gestoppt. “Ein faktisches Aussetzen von Abschiebungen steht derzeit für uns nicht zur Diskussion.” Die Sicherheitslage werde gemeinsam mit dem Außenministerium laufend beobachtet und beurteilt.
Gerald Tatzgern, Leiter der Zentralstelle zur Bekämpfung von Schlepperkriminalität im Bundeskriminalamt, argumentiert im VN-Gespräch mit den möglichen Folgen eines Abschiebestopps für Europa, sollten die Rückführungen ausgesetzt werden. “Dann beginnen Schlepper, sich das zu Nutzen machen und als Vorteil zu verkaufen. Das würde zu einer massiv erhöhten Schlepperaktivität führen”, betont Tatzgern.
Dann beginnen Schlepper, sich das zunutze zu machen und als Vorteil zu verkaufen.
Gerald Tatzgern, Bundeskriminalamt
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte erst vor kurzem mit einer einstweiligen Verfügung die geplante Abschiebung eines abgelehnten Asylwerbers aus Österreich nach Afghanistan verhindert. Dabei wurde auf die Sicherheitslage in dem Land verwiesen.
Mit Ende der Hilfe gedroht
Deutschland will die Rückführungen nun vorerst bis Ende August aussetzen. Zudem forderte es deutsche Staatsbürgerinnen und -bürger dazu auf, Afghanistan zu verlassen. Das österreichische Außenamt hat schon länger eine Reisewarnung ausgesprochen und rät Auslandsösterreicherinnen und Auslandsösterreichern dringend zur Ausreise.
Die Regierung in Berlin drohte Afghanistan außerdem mit einem Ende der finanziellen Unterstützung, sollten die radikal-islamischen Taliban ein Kalifat errichten. Ohne internationale Hilfe sei das zentralasiatische Land nicht lebensfähig, sagte der deutsche Außenminister Heiko Maas im ZDF. Mittlerweile kontrollieren die Taliban rund zwei Drittel Afghanistans.