Kabul fällt wie eine reife Frucht

Politik / 15.08.2021 • 22:44 Uhr
Die weiße Fahne der Taliban weht schon nahezu im ganzen Land. Mit Kabul fällt bald die letzte Stadt an die radikalen Islamisten. AFP
Die weiße Fahne der Taliban weht schon nahezu im ganzen Land. Mit Kabul fällt bald die letzte Stadt an die radikalen Islamisten. AFP

Jetzt  blicken Taliban weit über Afghanistan hinaus.

Kabul Die weißen Fahnen der Taliban mit ihren Koransprüchen wehten am Sonntag schon bis nach Kabul hinein, wo über eine friedliche Übergabe der Hauptstadt verhandelt wurde. Ähnlich waren schon vorher die meisten Provinzen den Islamisten in die Hände gefallen. Weder die Regierungstruppen noch die mit Präsident Ashraf Ghani verbündeten lokalen Kriegsherren waren gewillt, für seine verlorene Sache weiter das Leben zu wagen. Auch unterschied sich die US-etablierte „Islamische Republik“ nicht fortschrittlich genug vom radikalen Taliban-Islam, um das Volk für ihre Sache zu begeistern.

Der Abzug von USA und Nato führte in diesem Sommer sofort zum Zusammenbruch. Die afghanischen Kommunisten, als Befreier von Frauen und „Badsch“-Kindersklaven sowie im Bildungs- und Gesundheitswesen wirklich verdienstvoll, hatten sich nach dem Abzug der Roten Armee 1989 unter Mohammed Nadschibullah noch ganze drei Jahre gehalten.

Freunde und Feinde

Der Westen hat also seine Statthalter in Afghanistan nicht schmählich im Stich gelassen, sondern wurde von diesen selbst in eine Sackgasse manövriert. In Kabul gibt es jetzt nichts mehr zu retten! Andererseits kommt diese zweite Herrschaft der Taliban nach den 1990er-Jahren den US- und europäischen Interessen gar nicht so ungelegen. Zum ebenso islamistischen wie prowestlichen Pakistan unterhalten sie beste Beziehungen. Ohne pakis­tanische Unterstützung wären ihr einstiger und jetziger Siegeszug bis Kabul gar nicht möglich geworden. Die Feinde der Taliban finden sich hingegen allesamt im Lager der Gegner von USA und EU: Das gilt für die Islamische Republik Iran, welche die erzsunnitischen Taliban wegen ihrer Schiitenverfolgung als ebensolche Teufel wie Amerikaner und Israelis einstuft. Auch wäre es dem Westen nicht unwillkommen, wenn ein re-islamisiertes Afghanistan Wladimir Putin Richtung einst sowjetischer Muslimrepubliken bis hin zum Kaukasus in den Rücken fällt. Auch China muss jetzt die Taliban als aggressive Nachbarn zu seinen Muslim-Uiguren fürchten.