Verheerender Terroranschlag löst Furcht und Entsetzen aus

Mindestens 170 Todesopfer. Immer mehr Staaten stellen Rettungsflüge ein.
kabul Einen Tag nach dem verheerenden Anschlag der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) am Flughafen Kabul mit zahlreichen Toten haben einige Staaten am Freitag ihre letzten Evakuierungsflüge durchgeführt. Die USA wollen trotz anhaltender Terrorgefahr die Evakuierung von US-Bürgern und Ortskräften fortsetzen. Zugleich drohte US-Präsident Joe Biden den für den Anschlag verantwortlichen Terroristen mit Vergeltung.
Ein Selbstmordattentäter hatte sich am Donnerstag in der Nähe des Flughafens in den Tod gesprengt. Nach Angaben der „New York Times“ wurden mindestens 170 Menschen getötet und rund 200 weitere verletzt. Zudem starben 13 US-Militärangehörige. Das Blatt berief sich in seinem am Freitag online veröffentlichten Bericht auf Spitalsvertreter, die anonym bleiben wollten. Die Taliban hätten ihnen verboten, mit den Medien zu sprechen. Den Angaben zufolge handelt es sich bei einem Teil der Toten um US-Bürger mit afghanischen Wurzeln. Bisher war die Zahl der Todesopfer mit mindestens 92 angegeben worden. Österreichische Staatsbürger sind nach Angaben aus dem Außenministerium in Wien bei den Anschlägen nicht zu Schaden gekommen.
Nur ein Attentäter
Zunächst war die Rede von zwei Selbstmordattentätern gewesen. Nach neuen Erkenntnissen des US-Verteidigungsministeriums handelte es sich aber um eine Person. Der in Afghanistan aktive Ableger der Terrormiliz IS reklamierte den Anschlag für sich. US-Generalmajor William Taylor sagte im Pentagon, man sei nicht sicher, wie es am Vortag zu der falschen Angabe habe kommen können.
US-General Kenneth McKenzie hatte zuvor vor weiteren Angschlägen gewarnt. Auch Großbritannien geht von einer wachsenden Gefahr neuer Attentate aus. Russland fürchtet ein Übergreifen der Gewalt auf die Nachbarländer Afghanistans. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) verurteilte den Anschlag – ebenso Russland, China und das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte.
Der Evakuierungseinsatz der gut 5000 US-Soldaten in Kabul soll trotz der jüngsten Ereignisse wie geplant am Dienstag kommender Woche enden, wie Biden betonte. Der britische Verteidigungsminister Ben Wallace kündigte am Freitag an, die Evakuierungsflüge für britische und afghanische Staatsbürger würden in Kürze abgeschlossen sein. Die Bearbeitung von Ausreisedokumenten sei bereits beendet und der britische Eingang zum Flughafen geschlossen. „Wir werden weiterhin versuchen, ein paar Menschen in der Menge zu finden, wo wir können“, so Wallace weiter. Es sei aber eine traurige Tatsache, dass nicht jeder einzelne evakuiert werden könne. Frankreich plante, umgehend die Rettungsmission einzustellen. Zuvor taten das bereits andere Länder. Auch Russland will vorerst keine weiteren Evakuierungsflüge durchführen. Insgesamt sind nach Zählung der US-Regierung seit dem 14. August 105.000 Menschen aus Afghanistan evakuiert worden.
Angesichts der Terrorgefahr und der zu Ende gehenden Evakuierungsflüge wird auch eine Evakuierung der Österreicher aus Afghanistan immer schwieriger. Mehr als hundert Menschen sind nach Angaben des Außenministeriums bisher mit österreichischer Unterstützung außer Landes in Sicherheit gebracht worden. Zum Teil sei dies auch über den Landweg erfolgt, hieß es am Freitag. Derzeit seien noch einige Dutzend österreichische Staatsbürger in und um Kabul. Dazu kämen noch afghanische Staatsbürger, deren Aufenthalt in Österreich aber teilweise noch nicht abgeklärt sei. Österreich verfügt über keine eigenen Evakuierungsflüge.
Auf Hilfe angewiesen
Das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) erklärte, mit mehreren Hundert Mitarbeitern im Land zu bleiben. Die Menschen in Afghanistan seien jetzt auf Hilfe angewiesen, sagte der Sprecher von UNHCR Deutschland, Chris Melzer, im Bayerischen Rundfunk. Die Kinderhilfsorganisation UNICEF forderte einen besseren Schutz für Kinder. Seit Beginn dieses Jahres wurden nach UNO-Angaben mehr als 550 Kinder in Afghanistan getötet und mehr als 1400 verletzt. Fast zehn Millionen Kinder sind demnach auf humanitäre Hilfe angewiesen. Medizinisches Material zur Versorgung der Bevölkerung wird unterdessen knapp. „Die Vorräte reichen nur noch für ein paar Tage“, sagte Rick Brennan, Nothilfekoordinator der Weltgesundheitsorganisation für die Region in Genf. Grund sei, dass geplante Versorgungsflüge wegen der angespannten Sicherheitslage nicht stattfinden konnten. Die Taliban hatten Mitte August die Macht an sich gerissen. Die meisten Einheiten der Sicherheitskräfte ergaben sich kampflos, Präsident Ashraf Ghani floh außer Landes.
„Wir werden weiterhin versuchen, Menschen in der Menge zu finden, wo wir können.“

