Kontakt zu Taliban gesucht

Politik / 03.09.2021 • 22:23 Uhr
Neben einem Poster des Chefs des Taliban-Politbüros, Mullah Baradar, werden in Kabul Fahnen der Islamisten verkauft.  AFP
Neben einem Poster des Chefs des Taliban-Politbüros, Mullah Baradar, werden in Kabul Fahnen der Islamisten verkauft.  AFP

EU-Minister stellen Bedingungen für beschränkte Zusammenarbeit. Regierung in Afghanistan nimmt Form an.

kabul, kranj Die Außenminister der EU-Staaten haben sich auf Bedingungen für eine beschränkte Zusammenarbeit mit den militant-islamistischen Taliban in Afghanistan verständigt. Das von Deutschland und Frankreich initiierte Vorgehen sieht vor, möglichst schnell wieder Entwicklungshilfe zu ermöglichen, um eine humanitäre Katastrophe und Fluchtbewegungen in Richtung Europa zu verhindern.

Die Taliban sollen dafür eine Regierung bilden, die möglichst viele Bevölkerungsteile abbildet und unkomplizierte Hilfslieferungen ermöglichen. Zudem sind sie aufgefordert, die Einhaltung von Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit und Pressefreiheit zu gewähren, schutzbedürftigen Menschen die Ausreise zu garantieren und dafür zu sorgen, dass Afghanistan nicht wieder zu einer Basis für international operierende Terrorgruppen wird.

Rasches Handeln gefordert

„Wir sind uns hier sehr einig gewesen, dass Europa in der Afghanistan-Krise eine Rolle spielen muss und auch eine Rolle spielen wird“, kommentierte Deutschlands Außenminister Heiko Maas am Freitag nach den EU-Beratungen in Slowenien. Um eine bereits im kommenden Winter drohende humanitäre Katastrophe zu verhindern, müsse man nun schnell handeln. Der sozialdemokratische Politiker hatte den Taliban bereits am Donnerstagabend in Aussicht gestellt, dass Deutschland die derzeit gestoppten Entwicklungshilfe-Zahlungen für Afghanistan unter bestimmten Bedingungen wieder aufnehmen könnte. Insgesamt könnte das Land damit auch in diese Jahr rund 430 Millionen Euro aus der Bundesrepublik erhalten.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell betonte am Freitag, bei den geplanten Kontakten mit den Taliban gehe es um ein „operatives Engagement“, das in Abhängigkeit vom Verhalten zunehmen könne – und nicht um politische Anerkennung. Nach Angaben von Borrell verständigten sich die EU-Staaten auch darauf, ihre Kontakte mit den Taliban untereinander zu koordinieren. Dazu soll es auch eine gemeinsame Präsenz der Europäischen Union in Kabul geben, wenn es die Sicherheitsbedingungen zulassen.

Gespräche mit Nachbarstaaten

Mit den Nachbarländern Afghanistans soll laut Borrell verstärkt über die Steuerung von Flüchtlingsbewegungen und die Bekämpfung von Terrorismus und Drogen- und Menschenhandel gesprochen werden. Dazu wird den Planungen zufolge eine neue politische Plattform initiiert. Weiter offen ist, ob es von der EU konkrete Aufnahmezusagen für fluchtwillige Afghanen geben wird. Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) sprach sich bei dem Treffen in Slowenien erneut klar dagegen aus. Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn kritisierte hingegen, manche Regierungen in der EU glaubten, Europa könne nur bestehen, wenn es so wenig wie möglich Flüchtlinge habe. „In dieser Situation müssen wir bereit sein, den Menschen in Afghanistan zu helfen, die um ihr Leben kämpfen“, sagte er. Europa müsse selbstverständlich Menschen aufnehmen.

Baradar soll Regierung leiten

Unterdessen nimmt die Regierung der Islamisten Form an. Der Chef des Taliban-Politbüros, Mullah Baradar, werde die Regierung in Kabul leiten, hieß es am Freitag aus Taliban-Kreisen. Der Sohn des verstorbenen Taliban-Gründers Mullah Omar, Mullah Mohammad Jakub, werde eine hochrangige Position in der Regierung einnehmen, sagten drei mit den Vorgängen vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters. Die Bekanntgabe einer Regierung für Afghanistan wird frühestens für Samstag erwartet. Aus Taliban-Kreisen hieß es weiter, die neue Regierung werde 25 Ministerien umfassen. Ihr soll zudem ein Beirat bestehend aus zwölf muslimischen Gelehrten zur Seite stehen.

„Wir sind uns einig gewesen, dass Europa in der Afghanistan-Krise eine Rolle spielen muss.“