Soziallandesrätin: “Es wird bei vielen Familien knapp”

Katharina Wiesflecker fordert Sozialhilfereform. Zahl der Bezieher ist rückläufig.
Wien Es ist ein türkis-blaues Erbe, das sich seit 1. April in der Sozialhilfe niederschlägt. Zahlreiche Bezieher sind von teils massiven Kürzungen betroffen. Soziallandesrätin Katharina Wiesflecker (Grüne) ortet auch Fehlkonstruktionen: “Wir werden nicht drum herum kommen, das Grundsatzgesetz zu ändern”, sagt sie. Dafür verantwortlich ist allerdings der Bund.
Was die Zahl der Bezieherinnen und Bezieher der Sozialhilfe anbelangt, liegt Vorarlberg wieder auf dem Niveau von 2014. Das hat nichts mit den Kürzungen zu tun, sondern mit einer Trendumkehr ab 2017. Waren zuvor – unter anderem auf Grund der Flüchtlingsbewegung – immer mehr Personen im Land von dieser Leistung abhängig, wurden es vor vier Jahren wieder weniger. Wie aktuelle Zahlen der Statistik Austria zeigen, bezogen im vergangenen Jahr um 10,4 Prozent weniger die Mindestsicherung als 2019. “Dieser Trend setzt sich auch heuer fort”, berichtet Wiesflecker von einer weiterhin rückläufigen Entwicklung. Die gute Zusammenarbeit mit dem AMS mache sich bezahlt. “Es gelingt, die Menschen auf den Arbeitsmarkt zu bringen.” Die Sanktionen seien überschaubar.
Im vergangenen Jahr wurde die Sozialhilfe 668 Mal gekürzt und 414 Mal eine Ermahnung ausgesprochen. Letzteres erfolgt wenn AMS-Termine oder Sprachkurse versäumt werden. Ändert sich durch die Ermahnung nichts, wird um 25 Prozent gekürzt, im Extremfall um 50 Prozent.
“Meine Befürchtung war, dass mit der Coronakrise wieder mehr Menschen eine Unterstützung durch die Mindestsicherung brauchen. Das ist nicht eingetreten”, sagt Wiesflecker. Das liege vor allem an den Maßnahmen zur Krisenbewältigung: Einmalzahlung für Arbeitslose, Anhebung der Notstandshilfe, Mietstundungen, Kurzarbeitshilfen, etc. Nun erhole sich der Arbeitsmarkt überraschend gut.
Dass das neue Grundsatzgesetz Einbußen verursacht, sieht Wiesflecker auch. Sie lasse derzeit erheben, in welchen Konstellationen es zu besonderen Schwierigkeiten komme und an welchen Schrauben auf Landesebene gedreht werden könnte. Wie die VN berichteten, gibt es beim Wohnzuschuss und den Kinderrichtsätzen Spielraum. Die Landesrätin pocht aber vor allem auf eine Novelle des Grundsatzgesetzes durch den Bund. Dass subsidiär Schutzberechtigte nur in der Grundversorgung (400 Euro für Wohnen und Leben) sind oder gewisse Härtefälle gar keinen Anspruch hätten, gehöre geändert. Ebenso sei es eine Fehlkonstruktion, dass die Grundleistung für den Lebensunterhalt gekürzt worden ist. “Es wird bei vielen Familien sehr knapp.” Es wäre laut Wiesflecker jedoch sinnlos, wenn jedes Bundesland nach eigenen Konstruktionen suchen müsste, das zu umgehen. Daher sei der Bund gefordert. “Wie es weitergehen wird kann ich nicht beurteilen. Aber es wird schwierig werden.”
Sozialhilfe in Zahlen
10.832 Sozialhilfe-Bezieher zählte das Land über das ganze Jahr verteilt, 4136 davon waren Kinder.
6,4 Monate beträgt die durchschnittliche Bezugsdauer in Vorarlberg.
60 Prozent der Haushalte, die Sozialhilfe erhalten, verfügen über ein Einkommen (Erwerb, Arbeitslose, Pension).
41,4 Prozent der Bezieher sind Österreicher, 36,7 Prozent Flüchtlinge, 13,3 Prozent Drittstaatsangehörige und 8,3 Prozent EU-Bürger.