Frivole Fördertöpfe, unanständige Umfragen: Sebastian Kurz und mögliche “Message Manipulation”

VN-Leitartikel von Chefredakteur Gerold Riedmann zur Inseraten-Affäre der ÖVP.
Solch erdrückende Chatnachrichten mir nix, dir nix wegwischen, das kann nicht mal dem einstigen “Wunderkind” (Zitat “Newsweek” 2018) gelingen. Denn es geht um Grundlegendes: Vertrauen in ihn, Vertrauen in die Politik, Vertrauen in die Medien. Vertrauen, das schwer erschüttert wird.
Es gibt in Österreich eine offizielle Presseförderung, basierend auf Gesetzen, von insgesamt 8 Millionen Euro. Und 300 Millionen, die nach willkürlicher Festlegung von öffentlichen Stellen vergeben werden, in Form von Regierungsinseraten. Bei Wiener Boulevardmedien kann diese Art der Zuwendung schon 30 Prozent des Umsatzes ausmachen. Ein ungesundes System, das auch von den Vorarlberger Nachrichten oft kritisiert wurde – zuletzt durch die ausführliche Berichterstattung zur Studie des Medienforschers Andy Kaltenbrunner. Er zeigte auf, wie die willkürliche Förderpolitik den Medienmarkt zu Gunsten der Boulevardmedien verzerrt – und wie die Inseratenpolitik der Regierung aus dem Ruder gelaufen ist. Gerade ist sein Buch “Scheinbar transparent” erschienen.
Dass diese frivolen Fördertöpfe Fehlverhalten fördern, war nur eine Frage der Zeit.
Journalisten haben sich oft über die “Message Control” der Regierungen Kurz beklagt. Übereifrige Mitarbeiter, die nach Twitter-Nachrichten zum Telefonhörer greifen, ein Kanzler, dem das Außenbild wahnsinnig wichtig ist. Nun muss der Weg der Justiz aufzeigen, ob das Außenbild so wahnsinnig wichtig war, dass die Moral tatsächlich dafür geopfert wurde. Und wenn ja, wie viel.
Dass die “Message Control” auch eine “Message Manipulation” sein könnte, war noch nie so erahnbar. Mutmaßlich geschönte Meinungsumfragen, von der Regierungspartei vielleicht passend gemacht, in einem vermutlich mit Inseratengeld herbeigezogenen Boulevardblatt veröffentlicht. Da wird ein Polit-Drama à la House of Cards zum House of Kurz.
Es wird Zeit, dass die ÖVP Landeshauptleute öffentlich artikulieren, dass sie diesen überheblichen Feschak-Stil der Bundes-ÖVP nicht notwendig haben.
Die Partei steht bislang geschlossen hinter ihrem Heilsbringer – aus einem Grund, weil er Erfolg bringt, bisher Erfolg brachte. Doch nun muss auch die ÖVP erkennen, dass wichtige Bausteine des Erfolgs auf Sand gebaut worden sein könnten.
Keine einfache Zeit, die auf Sebastian Kurz, auf die ÖVP, auf das politische Österreich da hereinbricht. Alle Türkisen, alle Grünen sind hochnervös – zurecht. Sie wissen: der einst makellose Kanzler ist politisch längst nicht mehr unbeschädigt.
Die Gefahr des politischen Untergangs ist allgegenwärtig.