EU setzt in Streit mit Belarus Visa-Erleichterungen aus

Politik / 09.11.2021 • 13:02 Uhr
Hunderte Migranten versuchen am Montag die Grenze zu Polen bei Kuznica Bialostocka (Polen) zu überwinden, wie dieses Luftbild des Verteidigungsministerium Polens zeigt. <span class="copyright">Reuters </span>
Hunderte Migranten versuchen am Montag die Grenze zu Polen bei Kuznica Bialostocka (Polen) zu überwinden, wie dieses Luftbild des Verteidigungsministerium Polens zeigt. Reuters

Als Reaktion auf die aktuelle Lage an der EU-Ostgrenze setzt die Europäische Union in Teilen ein Abkommen über Visa-Erleichterungen mit Belarus (Weißrussland) aus.

Brüssel “Dieser Beschluss ist eine Reaktion auf den laufenden hybriden Angriff seitens des belarussischen Regimes”, hieß es in einer Mitteilung vom Dienstag. Der Schritt war Ende September von der EU-Kommission im Konflikt um mutmaßlich gesteuerte Migration über Belarus vorgeschlagen worden.

Die Maßnahme betrifft “Amtsträger des belarussischen Regimes”. Für sie wird es künftig aufwendiger und teurer, ein Visum für die Einreise in die EU zu bekommen. Gewöhnliche belarussische Staatsbürger betrifft der Beschluss nicht. Er wird nun im Amtsblatt der EU veröffentlicht und tritt zwei Tage später in Kraft. Das fragliche Abkommen gilt erst seit Juli 2020.

Zahlreiche Migranten sind aufgrund falscher Versprechungen im Grenzbereich zwischen Polen und Belarus gestrandet. <span class="copyright">REuters</span>
Zahlreiche Migranten sind aufgrund falscher Versprechungen im Grenzbereich zwischen Polen und Belarus gestrandet. REuters

“Wir verurteilen die laufende Instrumentalisierung der Migration durch das belarussische Regime aufs Schärfste und lehnen sie entschieden ab. Es kann nicht hingenommen werden, dass Belarus für politische Zwecke mit dem Leben von Menschen spielt”, sagte der slowenische Innenminister Aleš Hojs im Namen des derzeitigen EU-Ratsvorsitzes.

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“Heute steht die Stabilität und Sicherheit der gesamten EU auf dem Spiel”, hatte zuvor am Dienstag der polnische Regierungschef Mateusz Morawiecki mit Verweis auf den Andrang tausender Migranten an der polnischen Grenze zu Belarus erklärt. “Die Abriegelung der polnischen Grenze ist unser nationales Interesse, doch dieser hybride Angriff des Regimes von Lukaschenko richtet sich gegen uns alle”, sagte er.

Polen verstärkt die Grenzbefestigungen zu Belarus <span class="copyright">AP</span>
Polen verstärkt die Grenzbefestigungen zu Belarus AP

Die EU-Länder Polen, Lettland und Litauen meldeten in den vergangenen Monaten tausende illegale Grenzübertritte aus Belarus. Am Montag teilte ein Sprecher der polnischen Regierung mit, 3.000 bis 4.000 Migranten hätten sich nahe der polnischen Grenze versammelt. Die EU wirft dem belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko vor, Menschen aus dem Nahen Osten absichtlich nach Belarus und an die EU-Außengrenze zu lassen. In Brüssel wird vermutet, dass Lukaschenko damit Vergeltung für Brüsseler Sanktionen üben will, die im Zusammenhang mit der Niederschlagung von Protesten 2020 beschlossen worden waren.

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Das belarussische Regierung wies am Dienstag internationale Anschuldigungen gegen das Land zurück. “Wir möchten die polnische Seite im Voraus davor warnen, beliebige gegen die Republik Belarus gerichtete Provokationen zu nutzen, um mögliche illegale Militäraktionen gegen benachteiligte unbewaffnete Menschen (…) zu rechtfertigen”, heißt es in einer am Dienstag veröffentlichten Mitteilung des Außenministeriums in Minsk.

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Litauen, das im Norden an Belarus grenzt, wollte am Dienstag angesichts der zugespitzten Lage an der EU-Außengrenze für einen Monat den Ausnahmezustand in der Grenzregion verhängen. Die Regierung des baltischen EU-Landes legte dem Parlament in Vilnius am Dienstag einen entsprechenden Beschluss zur Billigung vor. Das Kabinett folgte damit einem Vorschlag von Innenministerin Agne Bilotaite. Der Ausnahmezustand soll demnach ab Mitternacht entlang der Grenze zu Belarus und fünf Kilometer landeinwärts gelten sowie in den Migrantenunterkünften.

Österreichs Außenminister Michael Linhart (ÖVP) bezeichnete in einer Aussendung am Dienstag das Vorgehen von Belarus, Menschen zu importieren und an eine Grenze zu stellen, als “Menschenrechtsverletzung und Erpressung”. Österreichs volle Solidarität gelte Polen und Litauen als leidtragende Staaten, erklärte er. “Wir müssen als Europäische Union zusammenstehen und uns entschlossen zur Wehr setzen. Das wird auch gezielte Maßnahmen gegen die Verantwortlichen in Minsk beinhalten”, betonte er.

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Linhart begrüßte gleichzeitig die Reise von EU-Kommissionsvizepräsident Margaritis Schinas in Herkunftsländer- und Transitländer der Flüchtlinge. ” Wir müssen die Menschen, die sich hier freiwillig in Geiselhaft eines totalitären Regimes begeben, warnen, sich auf den Weg zu machen. Sie werden als namenlose Masse in einem zynischen Spiel missbraucht”, erklärte der österreichische Außenminister, der sich derzeit auf Reisen in Zentralasien befindet.

Europa dürfe sich nicht von Lukaschenko mit “absichtlich herbeigeführten Migrantenströmen” erpressen lassen, erklärte am Dienstag auch Innenminister Karl Nehammer (ÖVP). “Die EU-Kommission muss Polen bei der Sicherung der EU-Außengrenze unterstützen und die nötigen Mittel für die Errichtung eines robusten Grenzzaunes bereitstellen”, betonte er. Hilfe bei der Registrierung von Migranten anzubieten sei hingegen ist das völlig falsche Signal, kommentierte Nehammer.

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Die EU sei gefordert hier endlich tätig zu werden und die Lösung des Problems dürfte nicht alleine Polen überlassen werden, kommentierte am Dienstag Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP). “Wegducken und wegschauen ist jetzt keine Option mehr”, erklärte sie und forderte einen “gemeinsamen EU-Außengrenzschutz”.

Die österreichische Europa-Abgeordnete Claudia Gamon (NEOS) forderte ihrerseits eine sofortige Lösung für die Menschen in den betroffenen Gebieten. Menschen, die ohne jede Versorgung an der Grenze verharren, müssten eine adäquate Unterbringung und ein faires Verfahren bekommen. Polen müsse in dieser Frage endlich europäische Unterstützung annehmen und aufhören, mit dem Schicksal dieser Menschen politische Taktik zu betreiben, kritisierte Gamon. APA