Gerold Riedmann

Kommentar

Gerold Riedmann

Unausweichlich Richtung Lockdown

Politik / 12.11.2021 • 22:30 Uhr

Wer eine Krise verschleppt, darf sich nicht wundern, wenn’s mit der Zeit nicht allein bei der einen Krise bleibt. Aktuell treffen mindestens drei Krisen auf eine strapazierte Bevölkerung und einen ausgemergelten politischen Apparat der überfordert wirkenden Regierung Österreichs.

Eigentlich gäbe es mit der Klimakrise genug zu tun. Wir reden viel zu wenig über sie, Glasgow ist weit weg. Zu vermeintlich langfristig die Auswirkungen, CO2 ist unsichtbar. Folglich sind wir träge und behäbig. Der Irrglaube ist da, dass wir alle Zeit der Welt hätten, dabei hat die Welt keine Zeit mehr.

Erneut wird die Flüchtlingskrise eine Belastung für Europa. Die Bilder von der EU-Außengrenze zum Schurkenstaat Belarus und Diktaktor Lukaschenkos Drohungen, Europa Flüchtlinge zu schicken und das durchs Land geleitete russische Gas abzudrehen, sind das eine. Doch wenn des Nachts in Vorarlberg bei einer Zufallskontrolle 30 Afghanen aus dem Nachtzug geholt werden, ist klar: wir stehen mitten drin in der nächsten Migrationskrise.

Kurzfristig gälte es, die Coronakrise unter Kontrolle zu bringen. Über den Sommer und weit in den Herbst hinein fehlte aber das Interesse der Regierung. Weite Teile der Bevölkerung waren froh, nichts von Corona zu hören. Scheibchenweise kam die Einsicht, dass die Wirkung der Impfung kürzer anhält, als erhofft. Schneller als erwartet muss aufgefrischt werden.

Der Besuch von Bundeskanzler Alexander Schallenberg in Vorarlberg brachte eine gute Nachricht: Schallenberg ist aus der Post-Kurz-Lethargie erwacht. Die schlechte Nachricht: das Erwachen kommt viel zu spät, zu viel wurde verschlafen, weil es nicht in die Erzählung der ÖVP und Sebastian Kurz passte, dass die Pandemie vorbei sei.

Der nun von Schallenberg propagierte “Lockdown für Ungeimpfte” bringt ein Maximum an Stigmatisierung und Kränkung. Und er bringt ein Minimum an Wirkung.

Können Sie erklären, was der Unterschied zwischen der geltenden 2G-Regel und einem Lockdown für Ungeimpfte ist?
Ins Gasthaus? Geht auch jetzt für Ungeimpfte schon nicht. Ausgangssperren? Sport und Spazieren ist immer möglich – und die Maßnahme ist schlicht unkontrollierbar. Freizeit? Auch hier gilt 2G. Und Arbeiten (3G) wie Einkaufen (Maske) ist weiterhin möglich.

Der „Lockdown für Ungeimpfte“ ist ein großes Wort mit kleiner Wirkung.

Wenn in dieser Pandemie etwas klar wurde, dann, dass das Konzept der Eigenverantwortung nicht funktioniert. In Zeiten, in denen ein YouTube-Video eines Schwurblers für gewisse Bevölkerungsteile mehr zählt als wissenschaftliche Erkenntnisse, kann man mit dem Diskutieren getrost aufhören. Schön wäre, es ginge mit Eigenverantwortung. Fakt ist, es wird nur mit einer Impfpflicht, jedenfalls in sensiblen Bereichen, gehen.

Schön wäre, die Regierung könnte bei dem Versprechen bleiben, dass Geimpfte keine Einschränkungen zu erleiden haben werden. Tatsächlich wird das mit jedem Tag zuwarten immer unwahrscheinlicher. Die Menschen, die sich erst jetzt um Erststiche anstellen, werden frühestens in sechs Wochen das Infektionsgeschehen einbremsen können.
Deshalb werden kurzfristigere Maßnahmen unausweichlich bleiben.