London wartet ab

Britische Regierung zögert mit Corona-Maßnahmen. Johnson unter Druck.
london Die britische Regierung will trotz eines massiven Anstiegs an Corona-Infektionen mit der Omikron-Variante vorerst keine weiteren Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie einführen. „Wir haben beschlossen, dass wir die Daten von jetzt an unter ständiger Beobachtung halten und sie stündlich bewerten sollten“, sagte Premierminister Boris Johnson am Montag nach einer mehrstündigen Sitzung seines Kabinetts in London. Die Regierung behalte sich aber weitere Maßnahmen vor, um den Gesundheitsdienst zu schützen.
90.000 Neuinfektionen
Großbritannien verzeichnete am Montag erneut mehr als 90.000 Neuinfektionen. In den Landesteilen England und Schottland ist Omikron bereits dominant. Auch bei den Krankenhauseinweisungen ist ein Anstieg zu verzeichnen. Die Zahl der Todesfälle blieb zuletzt relativ stabil bei rund 800 Fällen innerhalb von sieben Tagen. Ohne schärfere Maßnahmen drohen nach Ansicht des britischen Expertenrats Sage allein in England 3000 Krankenhauseinweisungen pro Tag und die Überlastung des Gesundheitssystems. Trotzdem setzt die britische Regierung weiterhin vor allem auf das Booster-Programm mit Impfstoffen und die freiwillige Zurückhaltung der Menschen. Johnson mangelt es zudem derzeit an politischer und moralischer Autorität, um konsequente Maßnahmen zu verteidigen. Einerseits rebellierten erst kürzlich bei einer vergleichsweise moderaten Verschärfung schon fast 100 Abgeordnete seiner eigenen Partei, weil sie die Einführung von 3G-Nachweisen für Clubs und Großveranstaltungen als Eingriff in britische Freiheiten ansehen.
Andererseits steht Johnson wegen mehrerer mutmaßlicher Lockdown-Partys in der Downing Street in der Kritik. So veröffentlichte der „Guardian“ am Montag eine Aufnahme aus einer Zeit mit strengen Kontaktbeschränkungen. Johnson ist darauf an einem Tisch mit Ehefrau Carrie und zwei Mitarbeitern zu sehen. Über den Garten verteilt sieht man weitere Grüppchen, es gibt Wein und Käse. Ein Regierungssprecher sagte, es sei ein Arbeitstreffen gewesen. Damals, im Mai 2020, durften sich in England eigentlich nur maximal zwei Personen treffen, draußen und im Abstand von zwei Metern. Auch Arbeitstreffen sollten nur „wenn unbedingt notwendig“ stattfinden.
In London, wo Omikron bereits rund 80 Prozent der Fälle ausmacht, fehlen in Krankenhäusern bereits Hunderte Beschäftigte. Bildungsminister Nadhim Zahawi rechnet auch in Schulen mit hohen Personalausfällen und ruft Lehrer im Ruhestand auf, sich zu melden. Alle, die sich imstande fühlten zu helfen, sollten sich jetzt auf einer entsprechenden Internetseite registrieren, um die „Störungen durch das Virus im neuen Jahr“ zu reduzieren, berichtete der Sender Sky News am Montag. Einige Schulen bereiten sich schon wieder auf Online-Unterricht vor.