Libyen ohne Weihnachtsfrieden

Politik / 23.12.2021 • 22:42 Uhr
Auf einem Plakat in Tripolis wird dafür geworben, sich zu registrieren und wählen zu gehen. Die Wahl verzögert sich nun aber. AFP
Auf einem Plakat in Tripolis wird dafür geworben, sich zu registrieren und wählen zu gehen. Die Wahl verzögert sich nun aber. AFP

Einigung auf Präsidentenwahlen kam nicht zustande.

tripolis Keinen neuen Präsidenten wird auf Heiligabend das seit zehn Jahren vom Bürgerkrieg zerfleischte Libyen erhalten. So auch keinen Weihnachtsfrieden, der seit Jahresfrist prophezeit und so heiß ersehnt wurde. Der 24. Dezember als Wahltag war im fast ganz islamischen Libyen natürlich nicht wegen des Christkinds, sondern zum 70. Jahrestag der Unabhängigkeit von der italienischen Kolonialmacht festgesetzt worden.

Gaddafi-Sohn kandidiert

Die libysche Zerrissenheit lag schon darin begründet, dass es von Rom als kolonialer Kunststaat aus den drei gegensätzlichen Regionen um das östliche Bengasi, das westliche Tripolitanien und Fessan tief in der Sahara zusammengeschneidert wurde. Nach der Befreiung von 1951 hielten zunächst König Idris mit kluger und dann Muammar al-Gaddafi mit harter Hand bis 2011 die auseinanderstrebenden Teile zusammen. Der brutale Diktator ist nach den Schrecken des Bürgerkriegs inzwischen wieder so populär, dass jetzt sein Sohn Seif al-Islam – übrigens einst ein „dicker Freund“ von Jörg Haider – recht aussichtsreich für das Amt des „Wiedervereinigungspräsidenten“ kandidierte. Sein Gegenpol ist ebenfalls ein alter Gaddafist, doch späterer Überläufer zum CIA, „Marschall“ Khalifa Haftar. Keiner von beiden hätte den anderen als Wahlsieger akzeptiert. So entschloss sich die parlamentarische Wahlkommission zur Verschiebung des Urnengangs auf den 24. Jänner.

Libyens politisches Schachbrett lässt sich aber nicht auf Seif al-Islam, Haftar und dazu Übergangsministerpräsident Abdul Hamid Dbeiba reduzieren. Die sonst recht klaren globalen Gegensätze gehen bei den Libyern kreuz und quer durcheinander: Der ehemalige US-Günstling Haftar steht heute auf der russischen Seite, wird aus Moskau militärisch unterstützt. In seinem Lager wurde erstmals Putins Söldnertruppe „Gruppe Wagner“ bekannt, die  eigene Todesverachtung mit modernster Waffentechnik verbindet. Die einzig international anerkannte Regierung in Tripolis ist wiederum mit dem türkischen Machthaber Recep Tayyip Erdogan verbündet. Sie hat Ankaras Militäreinsatz in Libyen gebilligt und ihm ein Viertel des Mittelmeers als Hoheitsgebiet zugesprochen.

Der einzige Widerstand dagegen kam von einer Frau, Nadschla Mangusch, Außenministerin in der derzeitigen Übergangsregierung. Sie kann es mit ihrer aufrechten Linie keiner der libyschen Parteiungen recht machen, wurde von den einen abgesetzt und von den anderen darauf in ihrem Amt bestätigt. Im Volk hat sie aber schon Millionen begeisterte Anhängerinnen und Anhänger. Nadschla Mangusch wäre am besten als neue Präsidentin geeignet – wenn das im strikt islamischen Libyen in Frage käme.