Die Guantanamo-Schande

Politik / 16.01.2022 • 22:42 Uhr

Das Oberlandesgericht im deutschen Koblenz verurteilte einen Offizier des syrischen Geheimdienstes zu lebenslangem Zuchthaus: Weil er das Foltern von 4000 „Regimefeinden“ anordnete, das zur Ermordung von 30 Gefangenen führte. Das Urteil erging, weil deutsche Strafverfolger und Richter mutig waren. Sie beriefen sich auf das „Weltstrafrechtsprinzip“. Demzufolge Menschenrechtsverstöße in jedem Land der Welt geahndet werden können. Aber leider nicht werden.

Das Urteil von Koblenz erging just zum „Jubiläum“ der nun 20jährigen Bestehens des völkerrechtswidrigen amerikanischen „Terroristenlagers“ Guantanamo Bay auf Kuba: Die allen Rechtsnormen widersprechende Erfindung von Ex-Präsident George W. Bush und seiner willigen Helfershelfer beim CIA-Geheimdienst, dem Justizministerium und republikanischer Parlamentarier nach dem Terrorangriff am 9. September 2001. Fast 800 muslimische Männer, die meisten nachweislich unschuldig, wurden ins Lager verfrachtet, brutal misshandelt und gefoltert. Neun Gefangene überlebten die Qualen nicht.

Nach Jahren ohne Gerichtsverfahren wurden Häftlinge schubweise entlassen und 39 warten weiterhin auf ihre Freilassung. Im Januar 2009, unmittelbar nach seinem Amtsantritt, verfügte US-Präsident Barack Obama die sofortige Einstellung der Folterpraktiken und die Schließung des Lagers. Was die republikanischen Parteifreunde Bushs im Parlament mit einem gesetzlichen Verbot der Präsidentenorder sofort und bis auf den heutigen Tag blockieren. Und Obama-Nachfolger Donald Trump versprach, dass mit ihm im Weißen Haus das Foltern in Guantanamo „jetzt erst richtig losgehen“ werde.

Was sagt das über den offiziellen amerikanischen Anspruch „Garant für die Menschlichkeit“ zu sein? Und wo sind die Richter und Politiker in den USA und allen anderen Ländern, die das „Weltstrafrechtsprinzip“ ignorieren und Menschenrechtsverletzter und ihre Handlanger gewähren lassen oder gar unterstützen? Unendlich viele Schuldige nach der „Drei-Affen-Regel“ – nichts hören, nichts sehen und nichts sagen – sind mitten unter uns.

Dabei wären viele Täter zu brandmarken, die etwa in Russland, in China, Nordkorea, Weißrussland, Myanmar, Saudi-Arabien ihr strafwürdiges „Handwerk“ betreiben; überall wo Diktatoren, Autokraten und andere Gewaltherrscher zu Hause sind. Ein deutsches Gericht hat einen syrischen Täter zu Recht ins Zuchthaus verfrachtet. Es ist überfällig, dass viele Andere dasselbe Schicksal ereilt.

„Fast 800 muslimische Männer, die meisten nachweislich unschuldig, wurden ins Lager verfrachtet.“

Peter W. Schroeder

berichtet aus Washington, redaktion@vn.at