“Umgang mit Taten macht fassungslos”

Politik / 21.01.2022 • 22:50 Uhr
Auch Alt-Papst Benedikt wird grobes Fehlverhalten vorgeworfen. AFP
Auch Alt-Papst Benedikt wird grobes Fehlverhalten vorgeworfen. AFP

Regierung fordert nach Missbrauchsgutachten Aufarbeitung.

Berlin, Rom Nach der Veröffentlichung des Münchner Missbrauchsgutachtens hat die deutsche Bundesregierung die katholische Kirche zu einer umfassenden und transparenten Aufarbeitung aufgefordert. Eine Regierungssprecherin sagte am Freitag in Berlin, das Gutachten für das Erzbistum München und Freising mache erneut auf „erschütternde Weise“ das Ausmaß des sexuellen Missbrauchs und der Pflichtverletzung kirchlicher Würdenträger deutlich. „Der Missbrauch und der anschließende Umgang mit diesen Taten macht fassungslos. Um so dringender sind nun die vollständige Aufklärung und die umfassende Aufarbeitung“, sagte die Sprecherin von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).

„Mit der Hilfe Gottes“

Papst Franziskus sprach sich in Rom für eine strenge Anwendung des Kirchenrechts aus: „Die Kirche treibt mit der Hilfe Gottes die Verpflichtung voran, den Opfern von Missbrauch durch unsere Mitglieder gerecht zu werden, indem mit besonderer Aufmerksamkeit und Strenge die vorgesehene kanonische Gesetzgebung angewandt wird“, teilte das Oberhaupt der katholischen Kirche mit. Direkten Bezug auf das Münchner Gutachten nahm der Papst nicht.

Ein Sprecher des Bundesjustizministeriums hob hervor, dass es sich nicht um eine rein innere Angelegenheiten der Kirche handle. Wo sich auch heute noch Anhaltspunkte für verfolgbare Taten ergeben, müssten die zuständigen Strafverfolgungsbehörden diese selbstverständlich ermitteln und konsequent verfolgen. Tatsächlich prüft die Justiz derzeit, ob die Ergebnisse des Münchner Gutachtens strafrechtlich relevant sind. Die Staatsanwaltschaft München I untersuche derzeit 42 Fälle von mutmaßlichem Fehlverhalten kirchlicher Verantwortungsträger, bestätigte die Sprecherin der Behörde, Anne Leiding. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) forderte eine konsequente Aufarbeitung. Von mehreren Seiten wurde am Freitag die Forderung nach einer stärkeren Kontrolle der katholischen Kirche laut.

Das vom Erzbistum München und Freising selbst in Auftrag gegebene Gutachten der Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl kommt zu dem Ergebnis, dass Fälle von sexuellem Missbrauch in der Diözese über Jahrzehnte nicht angemessen behandelt wurden. Auch dem ehemaligen Erzbischof, dem heute emeritierten Papst Benedikt XVI., wird Fehlverhalten in mehreren Fällen vorgeworfen. Insgesamt sprechen die Gutachter von mindestens 497 Opfern und 235 mutmaßlichen Tätern, gehen aber von einem deutlich größeren Dunkelfeld aus.