Wann die vierte Impfung Sinn macht

Virologe hält zweite Auffrischung erst im Herbst für nötig. Zumindest für die meisten.
Schwarzach, Wien Müssen sich bald alle zum vierten Mal gegen das Coronavirus impfen lassen? In Israel haben bereits mehr als 600.000 Menschen einen vierten Stich erhalten. Nach über 60-Jährigen, Immungeschwächten und medizinischem Personal können das dort inzwischen alle Erwachsenen mit Vorerkrankungen in Anspruch nehmen. Schon beim ersten Booster war Israel Vorreiter. Der Virologe Norbert Nowotny hält eine vierte Impfung nur in einigen bestimmten Fällen für frühzeitig geboten. Er glaubt an eine Auffrischung für alle im Herbst – mit einem angepassten Vakzin.
Abstand unterschiedlich
In Deutschland befürwortet die Ständige Impfkommission (Stiko) seit dieser Woche in einem Beschlussentwurf eine zweite Auffrischungsimpfung für Ältere ab 70 Jahren, Personen in Pflegeeinrichtungen, Menschen mit Immunschwäche ab fünf oder Beschäftigte im Gesundheits- und Pflegebereich. Aus Sicht des Expertengremiums soll der vierte Stich mit einem mRNA-Vakzin verabreicht werden – bei gesundheitlich gefährdeten Menschen frühestens drei Monate nach der ersten Auffrischung, bei Gesundheitsmitarbeitern frühestens nach sechs Monaten.
Hierzulande hält das Nationale Impfgremium (NIG) fest, dass mit Blick auf die Omikron-Welle eine vierte Impfung in Hochrisiko- oder systemkritischen Bereichen ab sechs Monaten nach dem dritten Stich in Betracht gezogen werden kann. Genannt wird zum Beispiel Gesundheitspersonal. „Es gibt noch keine wissenschaftliche Evidenz, dass diese zusätzliche Impfung Infektionen vermeiden kann“, erklärt das NIG. Es sei aber davon auszugehen, dass schwere Erkrankungen verhindert würden. Voraussetzung ist eine ärztliche Individualentscheidung und der ausdrückliche Wunsch der Betroffenen („Off-label-Impfung).
Angepasstes Vakzin
Virologe Nowotny hält es derzeit für sinnvoll, abzuwarten. Er verweist auf die Omikron-Welle, mit der sich sehr viele Menschen infizieren würden. „Ungeimpfte trifft es sowieso, aber auch Geimpfte in einer leichteren Form. Da brauchen wir in nächster Zeit keine vierte Impfung.“ Nachdem davon auszugehen sei, dass das Virus im Sommer wenig zirkulieren werde, danach aber wieder stärker, hält er eine weitere Auffrischung erst im Herbst für notwendig. „Das wird ein angepasster Impfstoff sein, vielleicht sogar eine Kombination aus Corona- und Grippeimpfung.“ Für bestimmte Personengruppen bezeichnet Nowotny eine weitere Impfung aber schon vorher für empfehlenswert, nämlich für Ältere, Menschen mit Vorerkrankung und Gesundheitspersonal. „Obgleich ich trotzdem noch warten würde, bis die aktuelle Welle vorüber ist.“
Erkenntnisse aus Israel legten nahe, dass nicht zu frühzeitig geimpft werden sollte, erklärt der Virologe. Bei den genannten Personengruppen mache der vierte Stich mindestens vier Monate nach der dritten Impfung Sinn. „Relativ zeitnah anzuraten ist es aber immungeschwächten Menschen, die nach drei Impfungen einen geringen Schutz aufgebaut haben.“ In diesem Fall wäre sogar ein Abstand von ein oder zwei Monaten denkbar.