Vorarlberger Volksabstimmung zur direkten Demokratie? “Bitte als Testlauf”

Politik / 05.02.2022 • 04:30 Uhr
Vorarlberger Volksabstimmung zur direkten Demokratie? "Bitte als Testlauf"
Es soll eine Art Bedarfserhebung zur direkten Demokratie in Vorarlberg geben, fordert die Initiative “Volksabstimmen über Volksabstimmen”. APA

Initiative fordert landesweite Volksabstimmung zur direkten Demokratie und stößt im Landtag auf offene Ohren.

Bregenz Hildegard Breiner und Christoph Aigner hatten ein gutes Gefühl, als sie vergangene Woche den Rechtsausschuss im Landtag verließen. Sie präsentierten ihr Anliegen, die direkte Demokratie zu stärken und fühlten sich von den Landtagsabgeordneten durchaus unterstützt. Denn ein Ziel scheint sowohl die Mandatare als auch die Initiative „Volksabstimmen über Volksabstimmen“ zu einen: der Wunsch, auf Gemeindeebene wieder mehr Mitbestimmungsrechte zu verankern. Dafür ist allerdings eine Änderung der Bundesverfassung nötig, und eine österreichweite Volksabstimmung.

Initiativrecht beschnitten

Nach der Volksabstimmung rund um die Landesgrünzone in Ludesch und einer Beschwerde über das Ergebnis kippte der Verfassungsgerichtshof die Möglichkeit, dass Gemeindebürger gegen den Willen der Gemeindevertretung eine Volksabstimmung initiieren können. Der Landtag „reparierte“ in Folge die betreffenden Gesetze. Die neue Lösung sieht vor, dass eine Volksabstimmung nur mit Rückhalt der Gemeindevertretung durchgeführt werden kann. Wehrt sie sich dagegen, findet eine unverbindliche Volksbefragung statt.

„Es geht ums menschliche Überleben. Da muss die Bevölkerung, die mit ihrem Bewusstsein schon viel weiter ist, mitreden können“, sagt Breiner.  <span class="copyright">VN</span>
„Es geht ums menschliche Überleben. Da muss die Bevölkerung, die mit ihrem Bewusstsein schon viel weiter ist, mitreden können“, sagt Breiner. VN

Umweltaktivistin Breiner bedauert, dass die Rechte der Bevölkerung mit dem Erkenntnis des Höchstgerichts beschnitten wurde. Sie fordert die Rückkehr zum Initiativrecht, wenngleich dafür eine bundesweite Volksabstimmung nötig wäre. Vor allem für den Natur- und Klimaschutz würden demokratiepolitische Fragen immer wichtiger. „Es geht ums menschliche Überleben. Da muss die Bevölkerung, die mit ihrem Bewusstsein schon viel weiter ist, mitreden können“, sagt Breiner.

“Länderdialog nutzen”

Im Rechtsausschuss präsentierte die Initiative „Volksabstimmen über Volksabstimmen“ insgesamt drei Forderungen. Zum einen soll Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) im Zuge des Vorsitzes in der Landeshauptleutekonferenz darauf achten, dass sich die Länder intensiv über demokratiepolitische Fragen austauschen, erklärt Christoph Aigner von der Initiative. „Er muss die Anwaltschaft für eine direkte Teilnahme und Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger übernehmen.“ Außerdem solle sich der Landtag für eine Änderung der Bundesverfassung stark machen, um das verlorene Volksabstimmungsrecht auf Gemeindeebene zurückzugewinnen. Ebenso müssten die demokratischen Defizite behoben werden. „Das ist natürlich ein längerer Prozess.“ In Zeiten der Vertrauenskrise wäre es aber gut, aktiv zu werden, hält Aigner fest. Breiner stimmt zu: „Es wäre eine Chance, Vertrauen wiederherzustellen. Das würde viel Sympathie auslösen.“

Die Oppositionsparteien im Landtag griffen bereits eine Forderung auf und richteten einen gemeinsamen Antrag an Landeshauptmann Wallner. Er müsse die Stärkung der direkten Demokratie im Rahmen der Landeshauptleute-Konferenz vorantreiben, fordern FPÖ, SPÖ und Neos.

Aigner fordert eine landesweite Volksabstimmung zur direkten Demokratie. <span class="copyright">VN</span>
Aigner fordert eine landesweite Volksabstimmung zur direkten Demokratie. VN

Ruf nach Volksabstimmung

Die Initiative wünscht sich außerdem eine landesweite Volksabstimmung. Es soll eine Art Bedarfserhebung zum Thema sein, eine Art Testlauf vor einer österreichweiten Abstimmung, wie Aigner erklärt. Die vorgeschlagene Frage: „Sind Sie dafür, dass sich der Vorarlberger Landtag und die Vorarlberger Landesregierung (…) für eine Änderung der Bundesverfassung einsetzen, damit das bürgerliche Volksabstimmungsrecht (…) festgeschrieben wird?“

Nach der Volksabstimmung über das Neugut in Ludesch wurden die entsprechenden Gesetzespassagen gekippt. <span class="copyright">VN</span>
Nach der Volksabstimmung über das Neugut in Ludesch wurden die entsprechenden Gesetzespassagen gekippt. VN

Die ÖVP steht dem Vorschlag einer solchen Volksabstimmung noch etwas zurückhaltend gegenüber. Aktuell würde ein Dialog zwischen den Ländern und der zuständigen Ministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) geführt, erklärt der Vorsitzende des Rechtsausschusses im Landtag, Thomas Winsauer (ÖVP). Die Ergebnisse sollten jedenfalls abgewartet werden. Außerdem erinnert er an den Organisationsaufwand, den eine Volksabstimmung auslöse. Darauf macht auch Neos-Mandatar Johannes Gasser aufmerksam. „Man könnte aber überlegen, eine solche Abstimmung im Land gemeinsam mit einem anderen Wahlgang, zum Beispiel der Bundespräsidentenwahl zu kombinieren“, erklärt er. Eine Volksabstimmung böte schließlich die Möglichkeit ein Thema in einer besonderen gesellschaftlichen Breite zu diskutieren. Auch Eva Hammerer (Grüne) steht der Idee offen gegenüber: „Eine Volksabstimmung kann durchaus ein Appell sein und einen Mehrwert schaffen, wenn sie in eine Bildungsoffensive zu den Themen Demokratie, politische Bildung und Beteiligung eingebettet wird.“ SPÖ-Abgeordnete Manuela Auer, fände es gut, „wenn Vorarlberg hier eine Vorreiterrolle einnimmt und den Vorschlag der Initiative umsetzt“. FPÖ-Obmann Christof Bitschi erinnert daran, dass Bürgermitbestimmung nicht nur ein Schlagwort sein dürfe.

Die FPÖ hat im Nationalrat eine Initiative zur Stärkung des Volksabstimmungsrechtes auf Gemeindeebene gesetzt und der Landtag einstimmig die Landesregierung ersucht, sich beim Bund für eine Änderung der Bundesverfassung stark zu machen. Markus Wallner ist jetzt gefordert, diesen Auftrag im Rahmen seiner Vorsitzführung bei der Landeshauptleutekonferenz zu erfüllen. Bürgernähe und -mitbestimmung müssen ein zentrales Element der Politik darstellen. <strong>Christof Bitschi, FPÖ</strong>
Die FPÖ hat im Nationalrat eine Initiative zur Stärkung des Volksabstimmungsrechtes auf Gemeindeebene gesetzt und der Landtag einstimmig die Landesregierung ersucht, sich beim Bund für eine Änderung der Bundesverfassung stark zu machen. Markus Wallner ist jetzt gefordert, diesen Auftrag im Rahmen seiner Vorsitzführung bei der Landeshauptleutekonferenz zu erfüllen. Bürgernähe und -mitbestimmung müssen ein zentrales Element der Politik darstellen. Christof Bitschi, FPÖ
Vorarlberg war immer Vorreiter in Sachen direkter Demokratie. Diese Rolle sollte das Land auch weiterhin übernehmen. Daher wünschen wir uns, dass sich Landeshauptmann Wallner dafür einsetzt. Dies kann dazu führen, dass der Länderdialog mit Leben erfüllt wird. Wir setzen uns für die Wiedereinführung der Möglichkeit einer Volksabstimmung auf Gemeindeebne durch das Sammeln von Unterschrift ein. <strong>Eva Hammerer, Grüne</strong>
Vorarlberg war immer Vorreiter in Sachen direkter Demokratie. Diese Rolle sollte das Land auch weiterhin übernehmen. Daher wünschen wir uns, dass sich Landeshauptmann Wallner dafür einsetzt. Dies kann dazu führen, dass der Länderdialog mit Leben erfüllt wird. Wir setzen uns für die Wiedereinführung der Möglichkeit einer Volksabstimmung auf Gemeindeebne durch das Sammeln von Unterschrift ein. Eva Hammerer, Grüne
Vorarlberg hat jahrzehntelange positive Erfahrung mit direkter Demokratie. Wer, wenn nicht Vorarlberg, soll dieses Thema also authentisch während dem Vorsitz in der Landeshauptleute-Konferenz vorantreiben können? Der Länderdialog muss sich für Erhalt und Stärkung der direkten Demokratie einsetzen. Wir schauen der Landes-ÖVP auf die Finger, ob sie dem Landtags-Beschluss nachkommt, sich für eine Änderung der Bundesverfassung einzusetzen. <strong>Johannes Gasser, Neos</strong>
Vorarlberg hat jahrzehntelange positive Erfahrung mit direkter Demokratie. Wer, wenn nicht Vorarlberg, soll dieses Thema also authentisch während dem Vorsitz in der Landeshauptleute-Konferenz vorantreiben können? Der Länderdialog muss sich für Erhalt und Stärkung der direkten Demokratie einsetzen. Wir schauen der Landes-ÖVP auf die Finger, ob sie dem Landtags-Beschluss nachkommt, sich für eine Änderung der Bundesverfassung einzusetzen. Johannes Gasser, Neos
Die Bundesregierung hat enorm viel Vertrauen in die Demokratie verspielt. Aus diesem Grund unterstütze ich Initiativen, die unsere Demokratie stärken, weiterentwickeln und zu breiterer Beteiligung führen. SPÖ, Neos und FPÖ haben diesbezüglich einen Antrag in den Nationalrat eingebracht. ÖVP und Grünen haben diesen aber abgelehnt. Meine Skepsis ist daher groß, dass die Regierungsparteien ernsthaftes Interesse an mehr direkter Demokratie haben.  <strong>Manuela Auer, SPÖ</strong>
Die Bundesregierung hat enorm viel Vertrauen in die Demokratie verspielt. Aus diesem Grund unterstütze ich Initiativen, die unsere Demokratie stärken, weiterentwickeln und zu breiterer Beteiligung führen. SPÖ, Neos und FPÖ haben diesbezüglich einen Antrag in den Nationalrat eingebracht. ÖVP und Grünen haben diesen aber abgelehnt. Meine Skepsis ist daher groß, dass die Regierungsparteien ernsthaftes Interesse an mehr direkter Demokratie haben.  Manuela Auer, SPÖ
Ministerin Karoline Edtstadler wurde vom Nationalrat beauftragt, mit den Ländern in einen Dialog zu treten, um über die Absicherung und Förderung direktdemokratischer Instrumente auf Gemeindeebene zu diskutieren. Der Dialog wird zeigen, wie ausgeprägt die Wünsche in den Ländern sind, die entsprechenden bundesverfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen zu ändern. Der Vorarlberger Landtag hat sich einstimmig dafür ausgesprochen. <strong>Thomas Winsauer, ÖVP</strong>
Ministerin Karoline Edtstadler wurde vom Nationalrat beauftragt, mit den Ländern in einen Dialog zu treten, um über die Absicherung und Förderung direktdemokratischer Instrumente auf Gemeindeebene zu diskutieren. Der Dialog wird zeigen, wie ausgeprägt die Wünsche in den Ländern sind, die entsprechenden bundesverfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen zu ändern. Der Vorarlberger Landtag hat sich einstimmig dafür ausgesprochen. Thomas Winsauer, ÖVP