U-Haft über Karmasin verhängt

Politik / 04.03.2022 • 22:28 Uhr
Diese Aufnahme zeigt die damalige Ministerin 2017 mit Sebastian Kurz. APA/Erwin Scheriau
Diese Aufnahme zeigt die damalige Ministerin 2017 mit Sebastian Kurz. APA/Erwin Scheriau

Gericht gab Antrag der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft statt.

wien Die Meinungsforscherin und frühere Familienministerin Sophie Karmasin muss in Untersuchungshaft. Das hat das Wiener Landesgericht für Strafsachen am Freitag entschieden. Als Haftgrund wurde Tatbegehungsgefahr angenommen. Damit gab das Landesgericht dem Antrag der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft statt. Die Ex-Ministerin war am Mittwoch verhaftet worden. Sie soll in der ÖVP-Inseraten-Affäre wesentlich mitbeteiligt gewesen sein. Es gilt wie für alle anderen Beschuldigten in der Causa die Unschuldsvermutung. Rechtsexperte Franz Fiedler hält die Vorwürfe gegen Karmasin für weitgehend. Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle verweist auf den großen Vertrauensverlust der Politik.

Zunächst 14 Tage

Karmasin war am Freitag im Wiener Landesgericht vom zuständigen Haft- und Rechtschutzrichter vernommen worden. Die über sie verhängte U-Haft gilt zunächst für 14 Tage, dann muss eine erste Haftprüfung stattfinden. Die 55-Jährige steht im Verdacht, eine wichtige Rolle bei der Erstellung von geschönten Umfragen für die ÖVP und den früheren Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) gespielt zu haben. Sie soll auch rechtswidrige Absprachen bei der Vergabe von Studien inszeniert haben. Laut Staatsanwaltschaft steht unter anderem der Verdacht der wettbewerbsbeschränkenden Absprachen im Raum. Karmasin war auf einem ÖVP-Ticket von 2013 bis 2017 Familienministerin und kehrte danach in die Meinungsforschung zurück.

Doch wann wird überhaupt U-Haft verhängt? Innerhalb von 48 Stunden nach der Verhaftung Karmasins war eine Entscheidung fällig, erläutert Franz Fiedler, ehemaliger Rechnungshofpräsident, einst auch Richter und Staatsanwalt auf VN-Anfrage. „Es hat ein dringender Tatverdacht vorzuliegen und einer von drei Haftgründen.“ Neben der Tatbegehungsgefahr beziehungsweise Wiederholungsgefahr sind das Verdunkelungsgefahr oder Fluchtgefahr. „Das muss gut untermauert sein, immerhin handelt es sich um einen Eingriff in ein Grundrecht, nämlich um jenes der persönlichen Freiheit. Insbesondere ist es auch nur mit einem richterlichen Befehl möglich.“ Zu den Vorwürfen gegen Karmasin sagt der Experte: „Ich halte sie schon für sehr weitgehend und schwer.“ Beim Strafrahmen komme es auf den Schaden an. Seiner Einschätzung zufolge könnte eine mehrjährige Haftstrafe drohen.

Für Politologin Stainer-Hämmerle steht fest: Der politische Schaden ist groß. „Die Verhaftung einer früheren Ministerin ist natürlich außergewöhnlich.“ Sie verweist auf die gravierenden Folgen der Chat- beziehungsweise Inseratenaffäre, die auch zum Rückzug von Kurz geführt hat. „Drei Dinge wären nun wichtig: Kanzler Karl Nehammer muss sich noch mehr von Kurz distanzieren. Zweitens sollte die ÖVP die Vorgänge intern aufarbeiten und etwa einen Ehrenkodex und Compliance-Regeln beschließen. Drittens braucht es ein Gesetzespaket gegen Korruption, für objektive Postenvergabe, saubere Parteienfinanzierung und ein Informationsfreiheitsgesetz.“ Dass dies rasch kommen müsse, liege auch im Interesse der Grünen, hätte sich die Partei doch immer Transparenz auf die Fahnen geschrieben. „Nur so können sie rechtfertigen, dass sie in der Regierung bleiben.“ VN-RAM

Diese Aufnahme aus dem Jahr 2017 zeigt Karmasin mit Kurz - damals waren beide Minister. APA/Erwin Scheriau
Diese Aufnahme aus dem Jahr 2017 zeigt Karmasin mit Kurz – damals waren beide Minister. APA/Erwin Scheriau