Neutralität allein schafft keinen Frieden mehr

Politik / 20.03.2022 • 21:55 Uhr
Experten fordern auch angesichts des Ukrainekriegs eine offene und ehrliche Debatte über den heutigen Nutzen von Österreichs Neutralität. APA/Robert Jäger
Experten fordern auch angesichts des Ukrainekriegs eine offene und ehrliche Debatte über den heutigen Nutzen von Österreichs Neutralität. APA/Robert Jäger

Die sicherheitspolitischen Perspektiven verschieben sich.

Wien Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine sorgt seit Wochen für Diskussionen über die Neutralität. Viele Experten, darunter Verfassungsjurist Heinz Mayer, zeigten sich kritisch, welchen Sinn die österreichische Neutralität unter den geopolitischen Gegebenheiten noch hat. 

Neutralität mehrfach ausgehöhlt

Der symbolische Wert ist noch hoch. 83 Prozent der Bevölkerung sind laut einer aktuellen Umfrage im Auftrag des Verteidigungsministeriums für die Beibehaltung der Neutralität, nur 16 Prozent dagegen. Heinz Mayer sieht das im VN-Gespräch kritisch: „Die Menschen sind völlig irregeleitet, was Neutralität bedeutet und glauben, dass die Neutralität Frieden schafft und uns Sicherheit gibt. Sie gibt uns gar nichts. Putin würde sicher nicht vor der Neutralität zurückschrecken.“ Denn wer das Völkerrecht breche, so Mayer, „bricht sicherlich auch die Neutralität“. Das scheint auch die Regierung so zu sehen: Das Heeresbudget wurde nach jahrelangem Sparkurs von 0,74 Prozent auf ein Prozent des BIP erhöht. In Zahlen bedeutet das künftig statt 2,7 Milliarden 4,3 Milliarden Euro.

Die Neutralität sei in den vergangenen Jahrzehnten mehrfach ausgehöhlt worden, erinnert Mayer: Der EU-Beitritt habe etwa die wirtschaftspolitische Neutralität beseitigt. Zudem wirke Österreich an der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union mit. Das geht bis zur Teilnahme an friedensschaffenden Maßnahmen. Das bedeutet Eingriff in kriegerische Auseinandersetzungen.“ Wenn die politische Spitze Führungsqualität hätte, würde sie der Bevölkerung klar machen, dass wir heute wesentlich sicherer wären, so Mayer, „wenn wir der Nato oder einem europäischen Bündnis beitreten würden“. VN-JUs