Politik braucht keinen James Bond
James Bond hat zwar nicht die Welt gerettet, aber die Präsidentenwahl gewonnen, immerhin – der liberale französische Präsident Emmanuel Macron schlägt seine rechtsnationale Herausforderin Marine Le Pen am Sonntag doch mit 58,5 zu 41,5 Prozent der Stimmen und darf weiterhin im Élysée-Palast residieren. In den letzten Tagen des Wahlkampfs gab Monsieur le Président auf seinen Social-Media-Kanälen noch alles: Macron fläzte sich im weit aufgeknöpften Hemd aufs Sofa und warb mit Brusthaar um Stimmen. Wohl in der Annahme, so eine James-Bond-Attitüde aus den 1960er-Jahren würde heute noch irgendwen beeindrucken. Aber leider, nur Sean Connery war Sean Connery, und Macron sollte sich vor Augen halten, dass er angesichts des Ukraine-Krieges in erster Linie vom Wunsch nach Stabilität profitiert hat.
Denn viele in Frankreich sind von seiner ersten Amtszeit enttäuscht und empfinden seinen Politikstil als abgehoben. Dabei würde Emmanuel Macron offenbar so gerne der Held sein, der den Bösewicht mit seiner Katze (hat Wladimir Putin eigentlich eine Katze?) Schachmatt setzt. Im französischen Duell ging es am Ende stark um Persönlichkeit, und Macron setzte auf das, was der große deutsche Soziologe Max Weber 1919 in seinem Vortrag „Politik als Beruf“ als „charismatische Herrschaft“ definierte. Ein Werk, das in seiner Analyse nach wie vor Geltung hat.
Nach Weber sind Leidenschaft (in der Sache), Verantwortungsgefühl und Augenmaß die drei wichtigsten Qualitäten für einen Menschen in der Politik – schön wärs in der Praxis. Und der Soziologe beschreibt auch, wovor sich alle hüten sollten, die auf Charisma setzen: „Denn es gibt letztlich nur zwei Arten von Todsünden auf dem Gebiet der Politik: Unsachlichkeit und – oft, aber nicht immer, damit identisch – Verantwortungslosigkeit. Die Eitelkeit: das Bedürfnis, selbst möglichst sichtbar in den Vordergrund zu treten, führt den Politiker am stärksten in Versuchung, eine von beiden, oder beide zu begehen.“ Wer Macrons Hollywood-Inszenierung nach seiner Wiederwahl sah, weiß, was mit der Eitelkeit auf der politischen Bühne gemeint sein könnte.
Damit ist Macron nicht alleine. Charisma-Politik hat die Idee des Patriarchen oder jene des Staatsdieners an der Staatspitze (die zwei anderen Herrschaftsformen nach Max Weber) vielfach verdrängt. Natürlich ist es für Politikmenschen schwierig, Verantwortung und Glamour so zu kombinieren, damit sie in der Medien-Gesellschaft reüssieren können. Dennoch, gerade heute ist wohl den faden Staatsdienerinnen und Staatsdienern der Vorzug vor Superheldinnen und Superhelden zu geben. Denn am Ende geht es um die Ernsthaftigkeit, mit der sie Politik in schwierigen Zeiten betreiben.
„Natürlich ist es für Politikmenschen auch schwierig, Verantwortung und Glamour so zu kombinieren, damit sie in der Medien-Gesellschaft reüssieren können.“
Julia Ortner
julia.ortner@vn.at
Julia Ortner ist Journalistin mit Vorarlberger Wurzeln, lebt in Wien und arbeitet für den ORF-Report.
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