Stenographie im Parlament: “Genauigkeit ist unser Job!”

Dario Summer (35) ist als Stenograph im Untersuchungsausschuss hautnah dabei.
Wien, Feldkirch Es ist eine Szene aus dem ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss, die für Erheiterung sorgte: Nationalratsabgeordnete Nina Tomaselli (Grüne) befragt Kurzzeit-Innenminister Eckart Ratz, dieser begrüßt mit „Grüß Gott! Miar könnten eigentlich Dütsch räda“, die Replik von Tomaselli: „Genau, aber jätz mömmar üs astrenga und Hochdütsch räda.“ Das wissen wir so genau, weil es im wörtlichen Befragungsprotokoll für die Nachwelt festgehalten ist – im feinsten Vorarlberger Dialekt. Dafür sorgen die Stenographen des Parlaments, die jede Sitzung genau für die Nachwelt festhalten. Einer von ihnen ist Dario Summer: Der 35-Jährige ist in Feldkirch aufgewachsen und hat seinen Arbeitsplatz im Herzen der Demokratie.
Seit 2014 ist Summer im Parlament tätig, damit wurde die Einsetzung von U-Ausschüssen zum Minderheitsrecht: „Damit war klar, dass es jetzt regelmäßig Untersuchungsausschüsse geben wird und es deswegen auch mehr Stenographen braucht.“ Er selbst hat Geschichte und Publizistik studiert, „meine Kolleginnen und Kollegen kommen aber aus allen Richtungen“. Wegen der vielen Themen im Parlament sei eine breite Allgemeinbildung wichtig, die Ausbildung zur Tätigkeit selbst passiert dann intern.

Diese besteht nicht nur aus dem Stenographieren bei Sitzungen des Nationalrats, des Bundesrats oder bei U-Ausschüssen. Auf die zehn Minuten Schreibtätigkeit im Plenarsaal folgen nämlich mehrere Stunden des Redigierens im Büro, bei dem ein bereits abgetippter Text mit Zwischenrufen, stilistischen Anpassungen und besonderen Vorkommnissen „verfeinert“ wird: „Wir erstellen viel mehr als ein reines Wortprotokoll. Wir ‚übersetzen‘ die gesprochene Sprache und möchten ein möglichst vollständiges Bild der Sitzungen vermitteln.“
Mehr als Video
Deshalb werde der Job von Dario Summer auch nicht so schnell durch Videoaufzeichnungen ersetzt: „Die Stärke am stenographischen Protokoll ist, dass es die ganze Sitzung dargestellt. Mit Anträgen, Beifällen und Zwischenrufen.“ Außerdem ist es jederzeit durchsuchbar und noch am Tag der Sitzung in einer ersten Version online abrufbar: „Das kann man Zitieren, das ist genau.“
Um größtmögliche Genauigkeit zu gewährleisten, wird auch immer wieder auf DarioSummer zurückgegriffen, wenn es um spezielle Vorarlberger Dialektausdrücke geht: „Vor Jahren hat ein Abgeordneter gesagt, dass man ‚anand zawe nidig isch‘. Immer wenn so etwas vorkommt, fragen wir unter den Kollegen, die den Dialekt beherrschen könnten, nach, was gemeint sein könnte.“

Den Vorarlberger Dialekt beherrscht Dario Summer als Sohn einer Vorarlbergerin; bis er fünf Jahre alt war, wuchs er in Feldkirch-Gisingen auf, bevor er nach Oberösterreich übersiedelte. Der Dialekt ist aber geblieben: „Mama spricht‘s daheim immer noch.“
Wandel durch Digitalisierung
Und auch wenn der Stellenwert des Protokolls gleich geblieben sei, habe sich die Arbeit durch die Digitalisierung verändert: „Der erste große Meilenstein waren Tonaufzeichnungen.“ Außerdem gebe es in den sozialen Medien immer eine kritische Öffentlichkeit: „Es herrscht eine Null-Fehler-Kultur. Weil zum Beispiel große Aufregung über eine Aussage herrschen kann, muss es im Protokoll passen.“
Im Protokoll muss es auch bei Befragungen in Untersuchungsausschüssen passen: „Das ist ganz anders als im Plenum, da machen wir keine Anpassungen und keine stilistischen Änderungen.“ Weil das Protokoll auch als Beweismittel vor Gericht verwendet werden kann und Falschaussagen bestraft werden, müsse dort jedes gesagte Wort exakt protokolliert werden: „Genauigkeit ist unser Job.“