EU-Kommission startet Verfahren gegen London

Nordirlandstreit spitzt sich zu. Briten sind enttäuscht.
Brüssel Im Streit um Brexit-Regeln für die britische Provinz Nordirland geht die EU gegen London vor. Damit reagierte die EU-Kommission am Mittwoch auf ein zu Wochenbeginn vorgestelltes Gesetz, mit dem die britische Regierung eine gemeinsame Vereinbarung – das sogenannte Nordirland-Protokoll – untergraben könnte. Konkret werden zwei Vertragsverletzungsverfahren neu eingeleitet, ein weiteres wird wieder aufgenommen.
„Nennen wir die Dinge beim Namen: Das ist illegal“, sagte der für die Beziehungen mit dem Ex-Mitglied Großbritannien zuständige Vize-Kommissionspräsident Maros Sefcovic mit Blick auf die britischen Pläne, das Nordirland-Protokoll einseitig auszuhebeln. Die EU-Kommission könnte die Angelegenheit innerhalb von zwei Monaten vor den Europäischen Gerichtshof bringen, betonte er. Am Ende könnte für London eine Geldstrafe fällig werden. Trotz wiederholter Aufforderungen habe die britische Regierung versäumt, das Protokoll umzusetzen. Ein Sprecher des britischen Premiers Boris Johnson sagte, man sei „enttäuscht“. Der von Brüssel gewählte Ansatz erhöhe die Last für die Bürger in Nordirland und sei kontraproduktiv. Irlands Außenminister Simon Coveney sieht das Vorgehen der EU-Kommission hingegen positiv. Es sei das Ergebnis einer bewussten Strategie der britischen Regierung, die auf Provokation statt Partnerschaft setze. Der Brexit-Berichterstatter im EU-Parlament, Andreas Schieder (SPÖ) betont, London habe „klar gegen internationales Recht verstoßen“.
Die EU-Kommission hätte als Reaktion weit härtere Gegenmaßnahmen ergreifen können. So hätte die Behörde etwa einen Prozess in Gang setzen können, an dessen Ende Teile des Brexit-Handelsabkommens aufgekündigt werden – mit wahrscheinlich spürbaren Auswirkungen für viele britische Unternehmen. Auch schärfere Warenkontrollen am Ärmelkanal gelten als denkbar, um Druck aufzubauen.
Nach dem Brexit war ein Streit darüber entbrannt, wie und wo Waren kontrolliert werden sollen, die aus Großbritannien nach Nordirland gebracht werden. Das Nordirland-Protokoll sieht vor, dass die zum Vereinigten Königreich gehörende Provinz weiter den Regeln des EU-Binnenmarkts und der Europäischen Zollunion folgt. Damit sollen Warenkontrollen zum EU-Mitglied Irland verhindert werden. Dafür ist nun aber eine innerbritische Warengrenze entstanden.