In der Preisspirale dem Ölmarkt ausgeliefert

Politik / 10.07.2022 • 20:00 Uhr / 6 Minuten Lesezeit
50 bis 60 Prozent des Rohölmarkts werden in Österreich von einer OMV-Raffinerie abgedeckt, erklärt Ökonom Michael Böheim. <span class="copyright">APA/Roland Schlager</span>
50 bis 60 Prozent des Rohölmarkts werden in Österreich von einer OMV-Raffinerie abgedeckt, erklärt Ökonom Michael Böheim. APA/Roland Schlager

Experten sehen wenig Handhabe gegen Diskrepanz von Preisen für Rohöl und Sprit. Eine verordnete Preisbremse könnte zu wirtschaftlichen und rechtlichen Problemen führen.

WIEN Es war eine Meldung, die vergangene Woche für Aufregung sorgte. In einer aktuellen Untersuchung hielt die Bundeswettbewerbsbehörde eine „Entkoppelung“ zwischen den Preisen von Rohöl und Sprit fest: Die Bruttoraffinierungsmargen der Mineralölkonzerne hätten sich seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine verdreifacht. „Aus den Daten können sich diese Steigerungen kaum zur Gänze aus den gesteigerten Kosten heraus erklären“, resümierte die interimistische Generaldirektorin der Behörde, Natalie Harsdorf-Borsch.

Hochkonzentrierte und unelastische Marktsituation

Michael Böheim, Ökonom für Industrie und internationalen Wettbewerb am Wirtschaftsforschungsinstitut, erklärt die gestiegenen Margen vor allem mit einem unelastischen Verhalten der Endverbraucher: „Im Moment ist der Markt in Österreich hochkonzentriert, circa 50 bis 60 Prozent werden von einer Raffinerie der OMV abgedeckt.“ Wenn dann der Preis steigt, die nachgefragte Menge aber nicht zurückgeht, werde er nicht einfach wieder sinken, sagt der Experte im Gespräch mit den Vorarlberger Nachrichten: „Wenn man sich in Österreich weiter einbildet, dass man den Treibstoff braucht, bevor man auf ein Auto verzichtet und den öffentlichen Verkehr umsteigt, bleibt der Preis so, wie er ist. Er wird einfach akzeptiert.“ Und solange der Preis nicht von einem vollstaatlichen Unternehmen vorgegeben werde, könne man in der Hinsicht auch wenig tun.

“Der Markt für Öl ist in Österreich ist hochkonzentriert. Der Preis wird einfach akzeptiert, also bleibt er so, wie er ist. Ein Preisdeckel würde wie ein Pflaster auf einer eitrigen Wunde wirken – es wird zwar ein Symptom bekämpft, aber das Problem nicht gelöst.”

Michael Böheim, Ökonom für Industrie und internationalen Wettbewerb (WIFO)

Wolle man angesichts der hohen Kosten für Treibstoff dennoch unter die Arme greifen, sei ein Preisdeckel der falsche Weg: „Der würde wie ein Pflaster auf einer eitrigen Wunde wirken. Es wird zwar ein Symptom bekämpft, aber das Problem nicht gelöst.“ Um die Kosten für den Individualverkehr zu senken, gebe es wirksamere Mittel; zum Beispiel, beim Preis für das stehende Auto anzusetzen: „Der ist in Österreich mit Kaufpreis, Wertverlust, Versicherung, Parkpickerl, Wartung und Reperaturen schon sehr hoch, der Benzinpreis als variable Kostenkomponente ist also fast egal“, weiß Böheim. Deswegen habe auch niemand einen Anreiz, den Preis zu senken. Für okönomisch schwache Personen und Haushalte wären Ausgleichszahlungen anzudenken, dafür könnte man auch – „um den Umweltschutz nicht zu vergessen“ – die Mineralölsteuer steigern und eine variable Autobahnmaut je nach gefahrener Distanz einführen.

Bei Fehlverhalten drohen gravierende Konsequenzen

Das Problem des hochkonzentrierten Marktes mit unelastischer Nachfrage kann auch Florian Schuhmacher, Wirtschaftsjurist an der Universität Wien, nachvollziehen, wie er den VN erzählt: „Es gibt manchmal transparente Märkte mit wenigen Teilnehmern und einem einheitlichen Gut, das gehandelt wird. Auf diesen besteht die Möglichkeit zu Parallelverhalten, sodass die Preise also auch ohne Absprachen ansteigen können.“ Das sei nicht verboten: „Wenn es der Markt hergibt, kann man die Preise höher ansetzen, allerdings nur, wenn keine Absprachen getroffen oder Informationen ausgetauscht wurden.“ Eine direkte Preisregulierung sei problematisch, „weil man direkt in den Markt eingreift, ohne zu wissen, was passiert”. Deswegen sollte das auf extreme Ausnahmefälle beschränkt werden.

„Es gibt manchmal transparente Märkte mit wenigen Teilnehmern und einem einheitlichen Gut, das gehandelt wird. Auf diesen besteht die Möglichkeit zu Parallelverhalten, sodass die Preise also auch ohne Absprachen ansteigen können.“

Florian Schuhmacher, Wirtschaftsjurist (Universität Wien)

Auch die Abschöpfung von Übergewinnen sei eine Variante, „mit der muss man aber vorsichtig sein, weil das eine extreme Unsicherheit in den Markt bringt, wenn Unternehmen, die aus unterschiedlichen Gründen hohe Gewinne machen, diese wieder herausgeben müssten.“ Sollte sich aber ein möglicher Verdacht der Preisabsprachen erhärten, hätten die Unternehmen mit „gravierenden Konsequenzen“ zu rechnen: „Dann wären das Geldstrafen von bis zu 10 Prozent des Jahresumsatzes, wie auch bei Marktmissbrauch. Da könnte man auch direkt auf Preissenkung entscheiden.“

Entlastung durch weniger Steuern

Kritik äußert auch Martin Grasslober, Leiter der Verkehrswirtschaft beim ÖAMTC, im VN-Gespräch: „Grundsätzlich haben wir schon gesagt, als die Spritpreise erstmalig zwei Euro pro Liter überschritten haben, dass das nichts mehr mit den Rohölpreisen zu tun hat.“ Die Mineralölindustrie würde gerne auf höhere Kosten von Diesel und Benzin in Rotterdam hinweisen, deswegen müssten sich auch europäische Wettbewerbsbehörden diese Märkte ansehen: „Das sind relativ kleine Märkte, wo Spitzenmengen verkauft und gehandelt werden. Sie machen einen kleinen Teil aus, sind aber maßgeblich für ganz Europa.“

Im Gegensatz zu Ökonom Böheim würde Grasslober aber die Mineralölsteuer senken, um Autofahrer sofort zu entlasten. Die Verschiebung der CO2 -Steuer begrüßt er, nachdem er aber nicht davon ausgehe, dass die Preise so schnell sinken werden, „sollte die Politik da noch einmal hinschauen”. Als weiteres Thema sieht er das Kilometergeld: „Da sind wir immer noch bei 42 Cent seit 2008. Wenn die Kosten höher sind, muss man das anheben.“ Magdalena Raos, Maximilian Werner