Energieminister wollen Übergewinne abschöpfen

Eine weitere Notintervention könnte ein Preisdeckel für Gas sein. Österreich ist dagegen.
Wien, Brüssel Die Erwartungen waren groß. Am Freitag trafen die Energieminister der EU-Mitgliedsstaaten in Brüssel zusammen, um über Preisdeckel, Gewinnabschöpfung und Stromsparzwang zu sprechen. Eine rasche Einigung auf gemeinsame Maßnahmen ist gefragt. Spätestens bis Ende September sollen europäische Maßnahmen gegen die hohen Strompreise stehen.
“Ich befürchte, wenn wir keine Lösung finden, die ein klares Signal sendet, dann wird es nicht genug Energie zu bezahlbaren Preisen geben”, sagte der tschechische Industrieminister Jozef Sikela, der das Treffen in Brüssel leitete. Tschechien hält aktuell die EU-Ratspräsidentschaft. Erstes Ergebnis: Im Kampf gegen die gestiegenen Strompreise wollen die Mitgliedsstaaten die EU-Kommission beauftragen, Möglichkeiten zur Abschöpfung von Übergewinnen von Stromproduzenten vorzulegen.
Einigung und Disput
Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) erkannte in einer ersten Reaktion nach dem Treffen Erfolgschancen für den EU-Kommissionsvorschlag, den Stromverbrauch in Spitzenstunden zu reduzieren. Auch die Abschöpfung von sogenannten Zufallsgewinnen erachtet die Ministerin als “sinnvolles Projekt”, das es “ohne Scheuklappen” zu diskutieren gilt. Das könnte verstärkt Ökostromerzeuger treffen.
Gleichzeitig hat Gewessler ihre Ablehnung gegen einen möglichen Preisdeckel für Importe von russischem Gas bekräftigt: “Ich kenne keine Umsetzung, die uns die Versorgungssicherheit sichert.” Österreich habe es zwar geschafft, die Abhängigkeit von russischem Gas von 80 auf 50 Prozent zu drücken, “aber wir sind noch nicht dort, wo wir hinmüssen”. Deshalb könne der Vorschlag der EU-Kommission derzeit nicht unterstützt werden. Auch Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) sprach sich am Rande des heutigen Finanzministertreffens in Prag gegen einen Deckel auf rein russisches Gas aus. Sehr wohl vorstellen könne er sich aber einen generellen europaweiten Deckel für alle Gas-Einkäufe, also auch beispielsweise Käufe aus Norwegen.
Mehr Einigkeit zeichnete sich dagegen etwa bei möglichen Maßnahmen zum Stromsparen ab, insbesondere in Zeiten hoher Nachfrage. Strittig war jedoch, ob neue Stromsparziele verbindlich oder freiwillig sein sollten.
Keine Neuigkeiten zum Merit Order
Die Ursache für die hohen Energiepreise ist Russland, das weniger Gas liefert und ganz bewusst den Preis hochtreibt. “Russland versucht die EU und ihre Mitgliedsstaaten zu erpressen. Umso wichtiger ist eine gemeinsame und entschlossene Antwort”, so Gewessler.
Die Preissteigerung liegt jedoch auch am sogenannten “Merit Order”. Er setzt fest, dass der Strompreis durch das teuerste eingeschaltete Kraftwerk bestimmt wird, das zur Produktion benötigt wird. Ist die Nachfrage niedrig, reicht günstiger Strom etwa aus Windkraft. Derzeit müssen aber teure Gaskraftwerke genutzt werden, um die Nachfrage zu decken – und der Preis richtet sich nach ihnen. Andere Energieproduzenten, die billiger Strom erzeugen – etwa aus Wind, Sonne oder Atomkraft – machen große Gewinne, weil sie ihren Strom auch zu dem höheren Preis verkaufen können. Zu diesem Themenpunkt gab es am Freitag noch keine Neuigkeiten.
4,4 Milliarden mehr an Stromkosten
Die Verwerfungen am Energiemarkt führen dazu, dass die Stromproduzenten heuer den Strom, der in Österreichs Haushalten verbraucht wird, um 4,4 Mrd. Euro über den Herstellungskosten verkaufen. Das hat das Tarifvergleichsportal durchblicker errechnet. Die Tendenz sei weiter steigend. Demnach werden es nach jetzigem Stand alleine im ersten Viertel des kommenden Jahres 2,7 Mrd. Euro sein. Jährlich verbrauchen Österreichs Haushalte gemeinsam rund 18 Terawattstunden Strom. Rund 85 Prozent davon stammen aus erneuerbaren Energiequellen.