„Großer Erfolg für die Ukrainer“

Russische Soldaten im Nordosten zurückgedrängt. Gegenschlag legt Elektrizitätsversorgung in weiten Teilen des Landes lahm.
Kiew Die Offensive der ukrainischen Streitkräfte im Nordosten und Süden ist nicht nur militärisch, sondern auch strategisch ein großer Erfolg für die Ukraine. Zu diesem Schluss kommt Oberst Markus Reisner, Leiter der Entwicklungsabteilung der Theresianischen Militärakademie. Der Durchbruch im Nordosten in der Region Charkiw sei beeindruckend, ob er auch ein Wendepunkt in diesem Krieg sei, könne man aber noch nicht abschließend sagen. Für die Ukraine sei es jedenfalls sehr wichtig gewesen, dem Westen zu zeigen, dass sie militärisch handlungsfähig sei. Damit werde der Westen motiviert, weiter Waffen zu liefern. Denn davon ist die Ukraine nach wie vor abhängig. Die Gegenoffensive wurde laut Reisner mit einer Masse von westlichen Waffen und Fahrzeugen bewerkstelligt. Auch die Unterstützung im Bereich der Aufklärung, vor allem aus den USA, dürfte entscheidend gewesen sein.
Bessere Informationen
Demnach haben hochrangige ukrainische Beamte im Sommer den Informationsaustausch mit US-Kollegen verstärkt, als sie begannen, die Gegenoffensive zu planen. Die Vereinigten Staaten hätten bessere und relevantere Informationen über russische Schwächen geliefert. Diese sollen es den Ukrainern ermöglicht haben, die russischen Streitkräfte gezielt anzugreifen und im Nordosten den Durchbruch zu schaffen.
Laut Reisner ist bei den Russen Chaos und Panik entstanden. Das sehe man daran, dass sie schwere Waffen zurückgelassen haben. Die Ukrainer seien mit kleinen mobilen Einheiten in die Ortschaften gefahren und haben die ukrainische Fahne gehisst. Bei den Russen sei so der Eindruck entstanden, dass sie eingekesselt sind und sie seien davongelaufen, sagt Reisner. „Die Ukrainer haben sich für die Offensive die schwächste Stelle ausgesucht und haben nicht die Eliteeinheiten, sondern die zwangsverpflichteten Einheiten aus dem Donbass angegriffen.“
Im Süden nahe Cherson ist die Gegenoffensive nicht so erfolgreich. Hier hätten die Russen ein gutes Lagebild und es geschafft, ihre Kräfte am Ostufer des Dnepr zusammenzuziehen. Von dort aus können sie auch das Westufer beschießen. Reisner geht davon aus, dass die Ukrainer als nächstes versuchen werden, den zurückgewonnen Raum zu konsolidieren. Die Russen wiederum werden vermutlich weiter eskalieren und wichtige Infrastruktur angreifen. Nach Angaben aus der Ukraine wurden in den letzten 24 Stunden bereits bis zu 50 Prozent der Elektrizitätsversorgung des Landes durch schwere russische Angriffe beschädigt.
„Die Ukrainer haben sich für die Offensive die schwächste Stelle ausgesucht.“