Mittelmeer wird erneut zum Massengrab

Gesucht wird nur noch pro forma. Es gibt keine Hoffnung mehr, Überlebende vor Griechenland zu finden.
Athen Nach dem schweren Bootsunglück mit vermutlich bis zu 500 Toten haben sich am Freitag in der griechischen Hafenstadt Kalamata dramatische Szenen abgespielt. Seit dem Untergang des völlig überfüllten Fischkutters am Mittwoch waren aus ganz Europa Angehörige angereist, um herauszufinden, ob der Bruder, die Schwester oder der Neffe überlebt hat. Meist ohne Erfolg: Nur 104 Menschen konnten gerettet werden, 78 Menschen wurden tot geborgen, die anderen riss das Unglücksboot mit sich in die Tiefe. Die griechischen Behörden suchten zwar am Freitag noch weiter, doch es wurde davon ausgegangen, dass die Aktivitäten spätestens am Samstag eingestellt werden.
Während nach derartigen Katastrophen noch bis vor Kurzem Politiker aller Länder die Zustände anprangerten, blieb es diesmal erstaunlich still. Wer sich äußerte, verwies zumeist darauf, dass man nun endlich dafür sorgen müsse, dass die Menschen sich gar nicht erst auf den Weg machten. Von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hieß es, sie sei „zutiefst betrübt“.
In Griechenland gingen am Donnerstag 8000 Menschen auf die Straße, um gegen die EU-Migrationspolitik zu protestieren, wie das Staatsfernsehen zeigte. „Die EU bringt Menschen um“, hieß es auf den Transparenten. In Griechenland werfen linke Parteien der konservativen griechischen Regierung der vergangenen vier Jahre vor, für das Unglück mitverantwortlich zu sein. Weil die Regierung die Kontrollen in der Ägäis massiv verschärft habe, nutzten die Migranten nun die viel weitere und gefährlichere Route um Griechenland herum direkt nach Italien. 2022 kamen laut UN in dieser Region 326 Menschen ums Leben.
Die Behörden untersuchen etwa die Zuständigkeit der Küstenwache – sie hatte der Besatzung des Bootes nach eigenen Angaben mehrfach per Funk Hilfe angeboten, doch diese sei ausgeschlagen worden. Viele fragen sich, wieso die Beamten nicht trotzdem tätig wurden. Der Sprecher der Behörde erklärte, ein Eingreifen in internationalen Gewässern sei nicht möglich, wenn der Kapitän des Bootes dies ablehne.
Neben dem fast unmenschlichen Leid kam es am Freitag in Kalamata auch zu rührenden Szenen: So fand ein Syrer, der aus den Niederlanden angereist war, unter den Überlebenden seinen Bruder. Die Überlebenden wurden im Laufe des Freitags in ein Auffanglager gebracht. Dort können sie Asyl beantragen. Für die vielen Menschen, die das Boot mit sich in die Tiefe zog, ist es hingegen zu spät. Überlebende berichteten, dass rund 100 Kinder an Bord waren.
