Die Sitzungspolizei im Landtag: Beim Störfall fast auf sich allein gestellt

Solange im Rahmen einer Landtagssitzung – etwa auf der Tribüne – keine Straftaten begangen werden, ist die Polizei im Sitzungssaal praktisch machtlos.
Bregenz Ein Blick zurück in den Dezember. Während einer Landtagssitzung standen Aktivisten auf der Tribüne auf, entrollten ein Banner, wollten eine Ansprache halten. Als sie das trotz mehrmaliger Aufforderung durch Landtagspräsident Harald Sonderegger (ÖVP) nicht unterließen, wurden sie schließlich durch Ordner des Hauses und anwesende Polizisten hinausgetragen. Und genau das sorgt jetzt für ein Nachspiel.
“In den Räumen des Landtags übt der Präsident das Hausrecht aus. Er ist also auch dafür verantwortlich, wenn jemand ‚entfernt‘ wird.”
Peter Bußjäger, Verfassungsjurist (Universität Innsbruck)
Denn während der Sitzung ist die Sitzungspolizei Kompetenz des Präsidenten: Für einen ordnungsgemäßen Ablauf zu sorgen, ist ureigenste Aufgabe der Legislative selbst. Verfassungsjurist Peter Bußjäger, früher Landtagsdirektor, erklärt: „In den Räumen des Landtags übt der Präsident das Hausrecht aus. Er ist also auch dafür verantwortlich, wenn jemand ‚entfernt‘ wird.“
Das heißt, dass zwar Bedienstete der Landtagsdirektion, die Sonderegger unterstehen, zum Beispiel Ordner, Unruhestifter hinauskomplimentieren dürfen. Die Polizei aber nicht: „Die Polizei darf nur handeln, soweit das gesetzlich angeordnet ist. Und die Mitwirkung im Landtag ist das nicht“, so Bußjäger.

Ein Sprecher der Landespolizeidirektion (LPD) erklärt die Situation: „Wir dürfen nur auf Grundlage der Gesetze handeln. Also wenn zum Beispiel eine Straftat auftritt.“ Sonderegger sagt zu den VN, dass er im Anlassfall immer den „Charakter“ der Störung überprüfe: Handelt es sich um eine einzelne Person, die dazwischen ruft, sei tatsächlich nur er selbst verantwortlich. Findet im Saal hingegen eine illegale Versammlung statt, könne er sehr wohl die Polizei um Hilfe bitten, die dann als ausführendes Organ auf Anweisung der Versammlungsbehörde tätig werden könne.
“Im Sitzungssaal gilt das Hausrecht. Dort bin ich für die Abwicklung zuständig, Ruhe und Ordnung wiederherzustellen.”
Harald Sonderegger (ÖVP), Landtagspräsident
Genau das ist im Dezember aber nicht passiert. Marina Hagen-Canaval, eine der Aktivistinnen legte Maßnahmenbeschwerde ein. In einer Gegenschrift an das Landesverwaltungsgericht, die den Vorarlberger Nachrichten vorliegt, lässt die LPD aufhorchen: „Da für die Sitzungspolizei des Vorarlbergers Landtages keine Mitwirkung der Bundespolizei gesetzlich vorgesehen ist, ist das unterstützende Einschreiten des [Beamten des Landesamtes für Verfassungsschutz- und Terrorismusbekämpfung] für die Ordner des Landtages faktisch verständlich, aber dennoch rechtsgrundlos erfolgt. Die Rechtswidrigkeit der Unterstützung bei der Vollziehung der Sitzungspolizei durch die Ordner des Landtages durch [den Beamten] wird […] deshalb eingestanden.“ Das Verfahren selbst kommentiert die LPD auf Anfrage nicht.