Markus Wallner im Sommergespräch: Klimaschutz und Entlastung nicht gegeneinander ausspielen

Landeshauptmann Markus Wallner will Entlastungsprojekte, wie die S18 und die Tunnelspinne, und den Klimaschutz nicht gegeneinander ausspielen.
Das Gespräch führten Birgit Entner-Gerhold und Gerold Riedmann.
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Die Zeugnisfrage dürfte keine Überraschung mehr sein. Welche Schulnote würden Sie FPÖ-Landesobmann und Politikkollegen Christof Bitschi geben, Herr Landeshauptmann?
Ich bin kein Pädagoge und habe kein Interesse an der Verteilung von Noten. Ich glaube, die endgültige Zeugnisverteilung erfolgt in einem guten Jahr bei der Landtagswahl. Wenn Sie fragen, wie es beim Kollegen Bitschi ist, das war alles schon etwas angespannter. In letzter Zeit hat man den Eindruck, dass da ein bisschen aufeinander zugehen auch spürbar ist.
Und wie sieht es mit dem grünen Koalitionspartner aus?
Die Grünen mögen die Noten eh nicht so gern, also erspare ich sie ihnen lieber. Wir haben eine sehr konstruktive Zusammenarbeit, ein vernünftiges Arbeitsverhältnis. Wir haben uns vorgenommen, bis knapp vor der Landtagswahl hin ordentlich zu arbeiten und dann in einen Wahlkampf einzusteigen. Andere Dinge bleiben offen.

Die Inflation spürt jeder und jede, gerade beim Thema Wohnen. Was kann die Politik konkret unternehmen, um das Wohnen leistbar zu machen?
Wohnen hat in den letzten zehn, 15 Jahren eine Entwicklung genommen, die für ganz viele junge Familien zur echten Belastung wird. Mich stört massiv, dass die Gründung eines ersten Eigentums so schwer geworden ist. Das entspricht nicht der DNA der Volkspartei. Eine erste Sache, die mir ganz wichtig ist, ist diese KIM-Verordnung. Also die Frage, wie komme ich zu einem Wohnbaukredit. Jedenfalls muss das deutlich gelockert werden, ich bin da sehr ungeduldig. Zweiter Hebel ist die Wohnbauförderung, der dritte die gesamte Raumplanung.
Wäre es nicht doch sinnvoll, über eine Mietpreisbremse nachzudenken?
Die wäre aus meiner Sicht sinnvoll, aber eben nur dann, wenn sie den Vorarlberger Markt trifft. Ich bin keinem in Wien irgendwas neidig. Und dort hätte es vielleicht geholfen. Aber die Richtwertmieten, die mit dieser Mietbremse überhaupt erreicht werden, die gibt es in Vorarlberg praktisch nicht. Ich habe mich eher darüber geärgert, dass man allen sagt, es kommt eine Mietpreisbremse, und dann eigentlich nur einen Bruchteil des Marktes, nämlich Wien meint.

Was geht eigentlich noch im gemeinnützigen Wohnbau?
Die gemeinnützigen Träger haben auch das Problem, dass sie eigentlich gar nicht wirklich günstiger bauen können. Sie haben nur den Vorteil, dass sie manchmal mit etwas geringeren Grundstückskosten operieren können. Nichtsdestotrotz, der gemeinnützige Wohnbau ist wichtig. Der wird ausgedehnt auf alle Gemeinden. Ich finde, es müssen neue Mietkaufmodelle und günstigere Kleinwohnungen auf den Tisch. Wir geben jetzt pro Monat eine Million Euro mehr aus für die Wohnbeihilfe und haben den Kreis jener, die sie bekommen, deutlich erweitert.
Finanzminister Magnus Brunner sah die hohen Lohnabschlüsse als Inflationstreiber, jüngste Meldungen aus Leitbetrieben sind nicht gerade mutmachend.
Die hohen Lohnabschlüsse waren, soweit ich das jetzt überblicken kann, durchgehend notwendig. Die Kombination aus Lohnabschluss und Abschaffung der kalten Progression war aus meiner Sicht die einzig richtige Antwort. Wir brauchen dringend ein Dämpfen der Inflation.
Ist jetzt noch die Zeit für Riesenprojekte wie Tunnelspinne und S18?
Ich bin der Meinung, dass es unangebracht ist, die Themen Klimaschutz und Entlastung gegeneinander auszuspielen. Ein besonderer Fokus liegt auf der Verbindung zur Schweizer Autobahn. Bei meinem letzten Treffen mit Schweizer Vertretern in Brüssel wurde mir erzählt, dass die einzige Autobahnverbindung ins Ausland, die noch fehlt oder nicht funktioniert, jene nach Österreich ist. Dies ist insofern paradox, als wir einer ihrer wichtigsten Handelspartner sind. Tausende Lastwagen müssen durch das malerische Rheintal fahren – das hat einfach keine Logik. Und wenn man von Klima- und von Umweltschutz redet, dann sollte man dazusagen, auch der Mensch muss geschützt werden. Er zählt auch zur Umwelt. Unsere Bevölkerung benötigt diese Entlastungsmaßnahmen, aber sie benötigt natürlich auch Klimaschutz. Wir müssen sicherstellen, dass unsere Projekte klimaverträglich umgesetzt werden.

Es ist ja nicht unbedingt der Stopp, der diskutiert wird, sondern die Dimensionierung. Könnten die Projekte nicht kleiner gedacht werden?
Beim Stadttunnel in Feldkirch fordern einige interessanterweise einen Baustopp mitten im Prozess, was nach 15 Jahren demokratischen Entscheidungen und Urteilen des Höchstgerichts völlig willkürlich erscheint. Da kann niemand ernsthaft verlangen, sie dann nicht umzusetzen. Das wäre an der Grenze des Amtsmissbrauchs. Bei der S18-Variante haben wir ebenfalls über zehn Jahre viel diskutiert. Da gibt es Rahmenbedingungen, unter anderem die, dass der Anschluss in der Schweiz klar fixiert ist, und damit ist der Spielraum natürlich eingegrenzt.
Die Grünen bezeichneten Windräder symbolisch als Freiheitsstatuen. Wie viele davon sollen denn in Vorarlberg stehen?
Es ist nicht leicht, diese Frage mit einer konkreten Zahl zu beantworten. Der Begriff „Freiheitsstatue“ ist ein bisschen überzogen, aber ich teile das zugrundeliegende Anliegen. Jede Investition in erneuerbare Energie stärkt unsere Eigenständigkeit. Wir haben riesige Potenziale in der Wasserkraft, in der Photovoltaik und auch noch ein gewisses Restpotenzial in der Windkraft. Dennoch, die Errichtung von Windkraftanlagen ist an Bedingungen geknüpft, wie die Windverhältnisse, die Topografie und die Einhaltung bestimmter Abstände zu Siedlungsgebieten. Bei genauer Betrachtung sind nur zwei Prozent der Landesfläche geeignet, was das Ganze sehr einschränkt. Ich will mich da nicht dagegen sperren, aber man soll jetzt nicht so tun, als ob da Hunderte Windräder entstehen können. Man sollte ein gesundes Maß finden, um auch die Landschaft zu schützen.

Bitschi sagte, das System ÖVP tue dem Land nicht gut. Können Sie sich da vorstellen, mit der FPÖ eine Koalition einzugehen?
Meine Priorität liegt auf der Sacharbeit und der bestehenden Partnerschaft mit den Grünen. Es ist meine feste Überzeugung, dass man prinzipiell mit jeder Fraktion im Landtag zusammenarbeiten können sollte. Aussagen, die eine Zusammenarbeit von vornherein ausschließen, sind nicht zielführend.
Was bleibt für Sie vom Jahr 2022?
2022 war ein turbulentes Jahr, auch persönlich. Einige Dinge geben zum Nachdenken, insbesondere die Frage, wie man mit anonym gehaltenen Vorwürfen umgeht und was damit medial passiert. Welche Eigendynamik solche Dinge entwickeln, wie man sich ein Jahr lang Vorwürfe anhören muss, die sich dann in Luft auflösen. Das hat auch Fragen zur Zukunft des Verhältnisses zwischen Politik und Medien aufgeworfen. Wir haben daraus gelernt und klare Schlüsse gezogen, insbesondere in Bezug auf Transparenz, Parteiengesetzgebung und Finanzierung von Wahlkämpfen. Heute haben wir das strengste Parteiengesetz in ganz Österreich und klare Transparenzrichtlinien.