Warum die Asylanträge in Österreich deutlich zurückgegangen sind

In Deutschland und der Schweiz kam es zu einem Anstieg im Vergleich zum Vorjahr. Experte thematisiert Vergleichszeitraum, aber auch geänderte Fluchtroute.
Schwarzach „Schaffen wir das nochmal?“ Diese Frage stellte das deutsche Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ kürzlich auf seiner Titelseite. Hintergrund sind die deutlich gestiegenen Asylantragszahlen im Nachbarland, die dort für hitzige Debatten über Grenzkontrollen geführt haben. Auch in der Schweiz nahmen die Anträge im Vergleich zu 2022 zu. In Österreich gingen sie hingegen zurück, allerdings auf hohem Niveau. Experte Lukas Gahleitner-Gertz von der Asylkoordination zufolge muss in diesem Zusammenhang auch immer der Vergleichszeitraum beachtet werden, da gerade im vergangenen Jahr die Zahlen besonders hoch waren. „Viele Menschen haben einen Antrag gestellt und sind weitergezogen.“ Dass Grenzkontrollen zu weniger Asylanträgen führen, sei eine verkürzte Darstellung.
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Die Zahlen scheinen jedenfalls eine deutliche Sprache zu sprechen: In Deutschland registrierte das dortige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bis Ende August mehr als 204.000 Anträge. Das bedeutet ein Plus von 77 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Auch in der Schweiz kam es zu einem Zuwachs. Das dortige Staatsekretariat für Migration zählt von Jänner bis August 17.358 Gesuche, rund 40 Prozent mehr als in dieser Zeit 2022. Ein anderes Bild zeigt sich in Österreich. Zwar verzeichnet das Innenministerium von Jänner bis August bereits deutlich mehr Anträge, nämlich 35.449. Insgesamt ging die Zahl den ersten acht Monaten im Vergleich zum letzten Jahr aber um rund 40 Prozent zurück.
Asylexperte Gahleitner-Gertz thematisiert in diesem Zusammenhang das Vergleichsjahr 2022 – damals gab es mit rund 112.000 Anträgen die zweithöchste Zahl seit dem Zweiten Weltkrieg. Außerdem seien zahlreiche Antragstellerinnen und -steller weitergezogen, blieben also nicht in Österreich. „Die Hauptfluchtroute hat sich verschoben.“ Verlief sie zunächst vor allem von Serbien über Ungarn nach Österreich, gebe es nun eine Verlagerung zur Adriaküste, aber auch über die Slowakei, Tschechien in Richtung Deutschland. Das Ende der Visaliberalisierung in Serbien für Menschen aus Indien und Tunesien habe ebenfalls dazu beigetragen. Deutschland ist dem Experten zufolge zwar ein starkes Zielland. Gleichzeitig betont er: „Wir sind weit weg von den Jahren 2015 und 2016, wenn man sich die Antragszahlen ansieht.“ Einen Anstieg gebe es aber. „Das widerspricht der Erzählung, dass die Menschen vor allem dorthin gehen, wo die Sozialleistungen am höchsten sind. In Österreich reisen zum Beispiel mehr Afghaninnen und Afghanen weiter, als kommen. Dabei bekommen sie hier mit ziemlicher Sicherheit einen Aufenthaltstitel, die Sozialleistungen sind höher als in Deutschland.“ Vielmehr gehe es also um wirtschaftliche Perspektiven.

Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser kündigte diese Woche an, dass es Grenzkontrollen an der polnischen und der tschechischen Grenze geben soll. An der deutsch-österreichischen Grenze kontrolliert Deutschland schon seit Jahren. Österreich selbst macht das zu Ungarn und Slowenien. Eigentlich sollten Grenzkontrollen im Schengenraum eine Ausnahme sein. „Es ist eine verkürzte Darstellung, dass sie den Zugang zum Asylsystem verringern“, erläutert Gahleitner-Gertz. Vielmehr würden dadurch mehr Anträge an der Grenze gestellt. „Es kann aber sein, dass sie zu einer Routenverlagerung beitragen. Die Menschen möchten nicht in Gefahr laufen, in Österreich bleiben zu müssen.“
In Vorarlberg ist die Zahl der Menschen, die Leistungen aus der Grundversorgung beziehen, über die letzten Monate konstant geblieben. Nach Informationen aus dem Büro des zuständigen Landesrates Christian Gantner (ÖVP) waren es mit Stand 19. September 3234 Menschen. Davon sind 1450 ukrainische Kriegsvertriebene, die einen Sonderstatus haben und keinen Asylantrag stellen müssen. Den Angaben zufolge übernimmt Vorarlberg laufend Asylsuchende vom Bund, durchschnittlich 25 Personen pro Woche.