Steuerautonomie: Die Lösung für Nähe zum Bürger?

Experte fordert Steuerautonomie für Bundesländer. Finanzminister kritisiert „Koste es was es wolle”-Mentalität in der Krise.
Darum geht’s:
- Der ehemalige IHS-Chef Christian Keuschnigg fordert echte Steuerautonomie für Bundesländer.
- Dies würde es Ländern ermöglichen, ihre eigenen Steuern zu erheben und die Bedürfnisse ihrer Bürger besser zu erfüllen.
- Finanzminister Magnus Brunner spricht über die Herausforderungen des Finanzausgleichs und der Budgeterstellung.
Bregenz Politikerinnen und Politiker in Wien tun sich bisweilen schwer, Anliegen und Wünsche von Bürgern in den anderen Bundesländern zu hören und zu berücksichtigen. Die Bedürfnisse von Stadt und Land gehen manchmal weit auseinander. Der ehemalige IHS-Chef Christian Keuschnigg ist mittlerweile Professor an der HSG St. Gallen. Er ist überzeugt: Damit die Politik besagte Bedürfnisse besser berücksichtigen kann, benötigt es echte Steuerautonomie für Bundesländer. Das betonte Keuschnigg auf einem Vortrag auf Einladung der Politischen Akademie der ÖVP. Zuvor sprach Finanzminister Brunner über den Finanzausgleich und die Schwierigkeiten der Budgeterstellung.

Wie kann die Politik näher am Bürger sein? Mit dieser Frage beschäftigt sich auch Christian Keuschnigg. Er hat die Antwort parat: „Es braucht einen echten Finanzföderalismus.” Länder sollten selbst Steuern einnehmen dürfen, damit sie das tun können, was für ihre Bürger am besten ist – wie in der Schweiz. Das Gegenargument, dass Steuerautonomie zu einem Wettbewerb der Bundesländer führt, kann er nicht nachvollziehen. „Egal ob wir Steuerwettbewerb haben oder nicht, die Kommunen konkurrieren immer miteinander. Jetzt tun sie es schon bei den Ausgaben”, stellt der Experte fest. „Wir haben also einen Wettbewerb nach oben. Was fehlt ist als Ausgleich ein Wettbewerb nach unten.” Mit dieser Maßnahme könnte auch die Kluft zwischen Stadt und Land in der Politik wieder verkleinert werden, ist er überzeugt. Dasselbe gilt insgesamt für Dezentralisierung.

Keuschnigg referierte am Montag vor ÖVP-Granden aus Vorarlberg. Auch Finanzminister Magnus Brunner lauschte den Worten des Experten. Zuvor war er selbst an der Reihe, um seine Sicht auf seine zwei aktuell größten Herausforderungen zu offenbaren: Finanzausgleichsverhandlungen und Budgeterstellung. Letzteres sei momentan besonders schwierig. „Jeder hat verständliche und nachvollziehbare Ansprüche. Aber am Ende geht sich halt nicht alles aus.” Das wiederum hänge mit dem Finanzausgleich zusammen, schließlich verhandeln Bund, Länder und Gemeinden aktuell über die Aufteilung des Steuerkuchens. Für Brunner bahnt sich ein Paradigmenwechsel an. Bund und Länder würden gemeinsame Ziele festlegen. Und wenn sie erreicht werden, fließt mehr Geld. Brunner erinnert an die Verhandlungen vor sieben Jahren unter Finanzminister Hans Jörg Schelling. „Damals forderten die Flächenbundesländer mehr Geld. Schelling hat dann 300 Millionen Euro dazu gegeben, die Schelling-Millionen, wie ich sie nenne. Wir haben einen anderen Zugang.” Jetzt gibt es 2,3 Milliarden Euro mehr. „Aber nur, wenn man Reformen in den Bereichen Pflege und Gesundheit sowie Zielerreichungen bei der Kinderbetreuung, beim Wohnen, beim Energie- und Klimamarkt vorweisen kann”, betont Brunner.

Nicht nur der Finanzausgleich wirkt sich aufs Budget aus. Auch die Ausgaben der Krisenzeiten spürt man jetzt. „Bei allem Verständnis, man hat in der Krise viel Geld zur Verfügung stellen müssen. Aber aus meiner Sicht war es zum Teil zu viel. Ich habe einen anderen Zugang als dieses ‘Koste es, was es wolle’.” Man sollte zur Verfügung stellen, was notwendig ist. Ein nachhaltiger Budgetpfad sei kein Selbstzweck. Brunner weiter: „Aber dazu ist man eh schon zurückgekehrt.”

Auch die Abschaffung der Kalten Progression dämpft den Spielraum des Finanzministers. „Allein für 2024 rechnen wir mit einer Entlastung von 3,6 Milliarden Euro.” Das helfe den Leistungsträgern natürlich sehr. „Mir als Finanzminister hilft es natürlich wenig. Das Geld fehlt im Budget. Und auch, dass alle paar Jahre die größte Steuerreform der zweiten Republik angekündigt wird, wird sich nicht mehr ausgehen.” Die Abschaffung sei aber ein Akt der Fairness gegenüber der Bürger.
Die Vorträge fanden im Rahmen der „Österreich 2030″-Tour der Volkspartei statt. In allen Bundesländern finden Workshops mit der Parteibasis statt, um einen sogenannten Zukunftsplan zu erstellen.