„Ethnische Säuberung“

Politik / 12.10.2023 • 22:41 Uhr
Armeniens Vertreter sprachen gestern vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag.
Armeniens Vertreter sprachen gestern vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag.

Armenien mit schweren Vorwürfen gegen Aserbeidschan vor Internationalem Gerichtshof.

Den Haag, Stepanakert, Jerewan Armenien hat Aserbaidschan vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag „ethnische Säuberung“ in der Region Berg-Karabach vorgeworfen. „Vor weniger als neun Monaten stand ich auf diesem Podium und warnte, dass Aserbaidschan einen Plan zur ethnischen Säuberung Berg-Karabachs von allen Armeniern auf den Weg bringt“, sagte der armenische Vertreter Jegische Kirakosjan am Donnerstag in Den Haag. Dies sei nun Wirklichkeit geworden.

Antrag auf Abrückung

Die Anhörung folgte auf eine aserbaidschanische Militäroffensive, in der Baku in kürzester Zeit die Kontrolle über das gesamte überwiegend von ethnischen Armeniern bewohnte Berg-Karabach übernahm. Vor Gericht ging es nun um einen Antrag Armeniens an den IGH, Aserbaidschan anzuweisen, „das gesamte Militär- und Strafverfolgungspersonal aus allen zivilen Einrichtungen in Berg-Karabach“ abzuziehen. Armenien forderte die Richter überdies auf, sicherzustellen, dass Baku keine „Maßnahmen ergreift, (…) die zur Vertreibung der verbliebenen ethnischen Armenier führen oder die sichere und rasche Rückkehr“ der Flüchtlinge verhindern.

Offensive am 19. September

Baku hatte am 19. September eine Militäroffensive in Berg-Karabach gestartet. Bereits einen Tag später kapitulierten die dortigen pro-armenischen Kämpfer, später wurde die Auflösung der selbst ernannten Republik Berg-Karabach zum 1. Jänner 2024 verkündet. Der aserbaidschanische Armeeeinsatz löste eine massenhafte Fluchtbewegung aus – eine große Mehrheit der geschätzten 120.000 Bewohner Berg-Karabachs floh nach Armenien.

„Noch ist Zeit, um zu verhindern, dass die Vertreibung von ethnischen Armeniern unumkehrbar wird, und um die sehr wenigen in Berg-Karabach verbliebenen ethnischen Armenier zu schützen“, sagte Kirakosjan weiter.

Überwiegend Armenier

Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion stritten die ehemaligen Sowjetrepubliken Armenien und Aserbaidschan um die Region Berg-Karabach. Diese gehört völkerrechtlich zu Aserbaidschan, es lebten dort bisher aber überwiegend ethnische Armenier.

Der Internationale Gerichtshof ist das zentrale Rechtsprechungsorgan der Vereinten Nationen und entscheidet über Streitigkeiten zwischen Ländern. Seine Urteile sind bindend. Allerdings stehen dem IGH keine wirklichen Instrumente zur Verfügung, um eine Einhaltung seiner Urteile durchzusetzen.

Armeniens Premier Nikol Pashinyan fordert eine Verurteilung Aserbaidschans.
Armeniens Premier Nikol Pashinyan fordert eine Verurteilung Aserbaidschans.