Der Altkanzler vor Gericht: Zurück auf der großen Bühne

Politik / 18.10.2023 • 17:40 Uhr
Zurück auf der großen Bühne: Sebastian Kurz. Auch wenn es mit der Anklagebank am Wiener Straflandesgericht wahrscheinlich nicht jene ist, die er sich erhoffte. <span class="copyright">APA/Georg Hochmuth</span>
Zurück auf der großen Bühne: Sebastian Kurz. Auch wenn es mit der Anklagebank am Wiener Straflandesgericht wahrscheinlich nicht jene ist, die er sich erhoffte. APA/Georg Hochmuth

Das Verfahren gegen Glatz-Kremsner wurde mit einer Diversion erledigt, sie bleibt unbescholten. Altkanzler Kurz und sein früherer Kabinettschef Bonelli kamen bisher nicht zu Wort.

Wien Sie sehen an dieser Stelle kein Bild des Altkanzlers an der Anklagebank. Weil es Sebastian Kurz geschickt gemacht hat. Er wartete bis zum letzten Moment, um sich niederzusetzen. Richter Michael Radasztics hatte die Fotografen und Kameraleuten da schon des Großen Schwurgerichtssaales verwiesen, den am Wiener Straflandesgericht anwesenden Journalistinnen das Fotografieren bereits untersagt.

Die drei Angeklagten warteten vor der Anklagebank: Bettina Glatz-Kremsner, Bernhard Bonelli und Sebastian Kurz (v. l. n. r.). <span class="copyright">APA/Helmut Fohringer</span>
Die drei Angeklagten warteten vor der Anklagebank: Bettina Glatz-Kremsner, Bernhard Bonelli und Sebastian Kurz (v. l. n. r.). APA/Helmut Fohringer

Und es waren viele Journalistinnen und Journalisten. Dass sich – um Punkt 9 Uhr – beim Sturm in den Saal niemand von ihnen eine blutige Nase holte, grenzt an ein Wunder: „Halt uns bitte drei Plätze frei!“-Rufe und Drängeleien schienen zum normalen Umgang zu gehören. Dass sich beim Klettern über die eng aufgestellten Sessel und dem Kampf um die wenigen Plätze mit Schreibpult niemand verletzte, war wohl nur der guten Form der Kolleginnen geschuldet: Bei der Vielzahl an politischen Verfahren in den vergangenen Jahren gab es viele Möglichkeiten zum Üben.

Kurz und Bonelli orten einen befangenen Richter

Die hatte auch Sebastian Kurz. Wie er es aus seiner Zeit in der Politik gewohnt war, stellte er sich auch heute – noch bevor die Hauptverhandlung eröffnet wurde – den Medien. Immerhin zwei Fragen beantwortete er nach seinem Rundumschlag gegen die Justiz: Es handle sich beim Verfahren um ein plumpes „Zusammenspiel aus Politik und Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft“, diese hätte in der Anklageschrift „immer, wenn es zwei Möglichkeiten gab, es auf die für mich ungünstigere interpretiert“.

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Die WKStA wirft Sebastian Kurz vor, im Ibiza-Untersuchungsausschuss rund um die Bestellung von Thomas Schmid zum Vorsitzenden der staatlichen Holding ÖBAG falsch ausgesagt zu haben. Wegen des gleichen Delikts angeklagt wurden mit Kurz auch die ehemalige Generaldirektorin der Casinos Bettina Glatz-Kremsner sowie der Ex-Kabinettschef im Bundeskanzleramt, Bernhard Bonelli. Alle Angeklagten beteuern ihre Unschuld. Und die Verteidiger taten alles, um diese Einstellung dem Richter gegenüber glaubhaft zu machen. Auch wenn jene von Kurz und Bonelli zunächst dessen Objektivität anzweifelten – wegen angeblicher Kontakte zum ehemaligen Politiker Peter Pilz im Zuge des Eurofighter-Verfahrens. Meinungen anderer hätten ihn nicht zu interessieren, argumentierte der Richter seine Abweisung des Antrags. Es gebe weder eine persönliche Beziehung noch ein Vertrauensverhältnis.

Eine belogene Allgemeinheit

Also Zeit für die Plädoyers der Ankläger, die eine Parallele zwischen einem Gerichtsverfahren und einem Untersuchungsausschuss zogen: Beide Institutionen seien an der Wahrheitsfindung interessiert, in beiden Institutionen sei diese gleich wichtig. Auch deshalb ist die Konsequenz für eine Falschaussage vor dem parlamentarischen Kontrollgremium so hoch angesetzt: bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe. Die Angeklagten hätten nicht nur die Abgeordneten „angelogen“, was an sich schon politisch dramatisch sei, sondern vor allem „die Allgemeinheit“.

Otto Dietrich (l.) verteidigt Sebastian Kurz, Werner Suppan (r.) Bernhard Bonelli. <span class="copyright">AP/Heinz-Peter Bader</span>
Otto Dietrich (l.) verteidigt Sebastian Kurz, Werner Suppan (r.) Bernhard Bonelli. AP/Heinz-Peter Bader

Dramatik pur scheint aber auch die Devise der Verteidigung zu sein, Bonellis Anwalt Werner Suppan etwa bemühte ein Zitat des Philosophen Konrad Paul Liessmann: „Sprache an sich, und dies war eine unüberbietbare Einsicht des jungen Nietzsche, stellt immer schon eine Verfälschung der Wirklichkeit dar.“ Und diese Wirklichkeit hätte die WKStA bewusst verfälscht: „Der Strafantrag ist ein Falschantrag. Da wird versucht, uns einen Bären aufzubinden.“ Er beantragte Freispruch.

Keine „Freundlichkeit“ und „Geduld“ im U-Ausschuss

„Bei nüchterner und objektiver Betrachtung“ würden sich auch die Vorwürfe gegen Sebastian Kurz in Luft auflösen, führte dessen Anwalt Otto Dietrich aus. Der Altkanzler hätte seine Rolle in der ÖBAG-Besetzung nie heruntergespielt, das hätte er auch gar nicht können, sei er doch gar nicht daran direkt beteiligt gewesen. Im U-Ausschuss herrsche zudem eine aggressive Stimmung, die Abgeordneten hätten die „Grundsätze einer Befragung“ – Dietrich nannte etwa „Freundlichkeit“ und „Geduld“ – nicht eingehalten. Er beantragte Freispruch.

Vor dem Beginn der Hauptverhandlung stellte sich Sebastian Kurz (l.) – unter Begleitung von Werner Suppan (r.) – den Fragen der national und international tätigen Medien. <span class="copyright">APA/Helmut Fohringer</span>
Vor dem Beginn der Hauptverhandlung stellte sich Sebastian Kurz (l.) – unter Begleitung von Werner Suppan (r.) – den Fragen der national und international tätigen Medien. APA/Helmut Fohringer

Glatz-Kremsner wurde außerdem noch selbst befragt. Sie plädierte, nicht schuldig zu sein, auch wenn sie unkonkrete Aussagen einräumte. Damit grenzten sie und ihr Verteidiger sich deutlich von den angriffigeren Aussagen von Kurz und Bonelli ab. Und auch räumlich tat sie das: Während die beiden Männer nebeneinander saßen, nahm die Frau mit etwas Abstand an der Anklagebank Platz. Sie hatte dort auch etwas mehr Freiraum als die Medienvertreter.

Und das Gericht gestand ihr auch eine gewisse „Sonderposition“ zu. Weil sie gewissermaßen ihre Fehler einräumte, verhängte der Richter eine diversionelle Erledigung. Das heißt: Das Verfahren gegen die 61-Jährige wurde gegen die Auflage einer Geldbuße von 103.760 Euro binnen zwei Wochen fallen gelassen. Glatz-Kremsner selbst erklärte sich mit dieser Vorgehensweise einverstanden – die Staatsanwaltschaft nicht.

Kurz wird wohl am Freitag befragt

Für die Verhandlung gegen die Angeklagten sind bisher drei Termine bis zum 23. Oktober anberaumt. Der ehemalige Bundeskanzler wird voraussichtlich am zweiten Verhandlungstag, dem Freitag, ausführlich zu Wort kommen. Zeuginnen und Zeugen sind vorerst noch keine geladen – zu deren Befragung werden wohl weitere Verhandlungstermine ab November vonnöten sein. Die WKStA hat in ihrem schriftlichen, über 100 Seiten umfassenden Strafantrag die Befragung von nicht weniger als 18 Zeuginnen und Zeugen im Rahmen der Hauptverhandlung beantragt.

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