Verschärfungen für Asylwerber: Pflicht zur gemeinnützigen Arbeit mit Fragezeichen

Experte bezweifelt Sinnhaftigkeit der ÖVP-Forderung nach einem „Vorarlberg-Kodex“. Es brauche einen besseren Zugang zum regulären Arbeitsmarkt.
Bregenz Die Vorarlberger ÖVP will Asylwerbende zu gemeinnütziger Arbeit verpflichten. Dafür sollen die Menschen bei der Übernahme in die Grundversorgung einen sogenannten „Vorarlberg-Kodex“ unterschreiben. Wann es so weit ist, bleibt unklar. Die Asylkoordination fordert vielmehr einen einfacheren Zugang zum Arbeitsmarkt. Die Hürden seien nach wie vor zu hoch.
Neuer Kodex
Asyllandesrat Christian Gantner und Roland Frühstück, Klubobmann im Landtag (beide ÖVP), stellten ihre Forderungen am Freitag bei einer Pressekonferenz vor. „Integration und Migration ist weder eine Frage von links und rechts, es ist für uns eine Frage der Fairness und des Hausverstands“, sagte Gantner. Gastfreundschaft sei keine Einbahnstraße, sie bestehe aus Geben und Nehmen. Der Landesrat unterstrich gleichzeitig, dass zwischen Kriegsflucht, also dem Sonderstatus ukrainischer Vertriebener, Asyl nach der Genfer Flüchtlingskonvention und freiwilliger Migration unterschieden werden müsse. Klubobmann Frühstück umriss jene Vorgaben, welche sich die ÖVP künftig für Asylwerber vorstellt. Demnach sollen sie einen „Vorarlberg-Kodex“ bei der Übernahme in die Grundversorgung unterschreiben. „Wir leisten als einziges Bundesland etwas ganz Besonderes, nämlich, dass wir bezahlte Deutschkurse anbieten.“ Im Gegenzug sollten die Menschen der Volkspartei zufolge auch einige Stunden in der Woche gemeinnützige Tätigkeiten für Organisationen, Vereine oder Gemeinden verrichten. „Das soll nicht nur freiwillig möglich sein, sondern verpflichtend.“

Die ÖVP will auch die bereits 2016 in Vorarlberg eingeführte Integrationsvereinbarung, die Bleibeberechtigte bei Beantragung der Sozialhilfe unterschreiben, verschärfen. Was das genau heißt, blieb offen. Die neue „Integrationsvereinbarung plus“ solle verstärkt öffentlich kommuniziert und umgesetzt werden, kündigte Gantner auf Nachfrage an. Sie gelte dann auch bei einem negativen Asylbescheid. Schon bisher gibt es Sanktionen, wenn die Unterzeichnenden etwa die deutsche Sprache nicht lernen. Auch diesbezüglich soll es der ÖVP zufolge Verschärfungen geben. Details nannte sie aber nicht. An die Adresse der Bundesregierung gerichtet waren außerdem Forderungen nach der Weiterentwicklung bestehender und dem Abschluss neuer Rückführungsabkommen, um raschere Abschiebungen zu ermöglichen, sowie Verbesserungen bei der Rot-Weiß-Rot-Karte für dringend benötigte Fachkräfte.
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Was die verpflichtende gemeinnützige Arbeit angeht, verwies Gantner auf die letzte Konferenz der Integrationsreferenten. Nach einem einstimmigen Beschluss beauftragten sie das Innenministerium mit einer Prüfung der rechtlichen Umsetzung. Lukas Gahleitner-Gertz, Experte von der Asylkoordination, hat seine Zweifel, was die Sinnhaftigkeit angeht. Klar sei: Sollten den Asylwerbern im Gegenzug Kürzungen bei den Versorgungsleistungen drohen, wäre eine Arbeitspflicht nicht möglich, sagt er. „Das widerspricht dem Verbot der Zwangsarbeit.“ Diese ursprüngliche Forderung finde sich nun aber auch nicht mehr im Beschluss der Landesasylreferenten. Freiwillig ist gemeinnützige Arbeit ohnehin schon möglich. „Es besteht allerdings eine Zuverdienstgrenze von 110 Euro im Monat. Die Menschen können also nicht viel arbeiten.“ Oft fehle es den Gemeinden auch an der nötigen Infrastruktur und am Personal, um sie anzulernen.

„Kein sinnvoller Ersatz“
Eine Arbeitspflicht bringt Gahleitner-Getz’ Ausführungen zufolge also wenig. Vielmehr sollte den Asylwerbern der Weg in den regulären Arbeitsmarkt ermöglicht werden. Er erinnert daran, dass sie fast 20 Jahre durch den sogenannten Bartenstein-Erlass, außer in der Saison- und Erntearbeit, gar nicht arbeiten durften. Prinzipiell gilt: Finden sie drei Monate nach der Zulassung zum Verfahren einen Job, kann der Arbeitgeber beim AMS eine Beschäftigungsbewilligung beantragen. Danach läuft bis zu sechs Wochen ein Ersatzkräfteverfahren, in dem geprüft wird, ob nicht eine andere geeignete Arbeitskraft infrage kommt. Die Hürden seien nach wie vor viel zu hoch, betont Gahleitner-Gertz. „Nun den Weg über eine Zwangsarbeitslösung zu wählen, kann kein sinnvoller Ersatz sein.“ Außerdem müsse die Zuverdienstgrenze in der Grundversorgung angehoben werden.
SPÖ-Chef Mario Leiter bezeichnete den „Vorarlberg-Kodex“ als Populismus. „Dass die Landesregierung sich damit brüstet, kostenlose Deutschkurse anzubieten, sollte eigentlich selbstverständlich sein. Wie sonst soll Integration möglich sein?“ Auch Neos-Klubobmann Johannes Gasser fand kritische Worte: “Wir haben im Land hunderte offene Stellen in der Privatwirtschaft – auch für Hilfskräfte – und die ÖVP bietet weder ausreichend schnell Sprachkurse an, noch die Möglichkeit, dass sie diese offenen Jobs auch annehmen könne.”
Mit Stand Donnerstag haben dem Land zufolge 3271 Menschen Leistungen aus der Grundversorgung bezogen. 1724 sind Asylsuchende, 1547 ukrainische Kriegsvertriebene, die keinen Antrag stellen müssen und auch arbeiten dürfen. Die Zahl sei in den letzten Monaten beständig angestiegen. Die Menschen sind in 78 Gemeinden untergebracht: Neben dem Erstaufnahmezentrum in Nenzing, das von der ORS geführt wird, gibt es 614 private Quartiere und 350 von der Caritas organisierte Unterkünfte.