Sulzberg stellt Weichen für den Rücktritt

Politik / 29.11.2023 • 22:00 Uhr
Ein letztes Mal: Lukas Schrattenthaler wird heute sein Büro endgültig räumen. <span class="copyright">VN/Prock</span>
Ein letztes Mal: Lukas Schrattenthaler wird heute sein Büro endgültig räumen. VN/Prock

Heute darf Bürgermeister Lukas Schrattenthaler endlich zurücktreten. Er hat nämlich wieder einen Vize.

Darum geht’s:

  • Gemeindevertretung wählt Johannes Feurle zum Vizebürgermeister
  • Bürgermeister Lukas Schrattenthaler kann endlich zurücktreten
  • Gemeindevertretung erledigt Sitzung in nur 45 Minuten

Sulzberg Heute ist Lukas Schrattenthaler Bürgermeister gewesen. Die Sulzberger Gemeindevertretung hat gestern Johannes Feurle zum Vizebürgermeister gewählt – er wird heute von Bezirkshauptmann Gernot Längle angelobt. Dann darf Schrattenthaler endlich zurücktreten. Die Gemeindevertretungssitzung am Mittwoch ist der Anfang vom Ende einer turbulenten Zeit. Überraschend, wie zahm die Sitzung selbst verläuft. Es ist ruhig, in 45 Minuten ist alles erledigt.

Nicht nur vor dem Gemeindeamt in Sulzberg herrscht eisige Stimmung. <span class="copyright">VN/Prock</span>
Nicht nur vor dem Gemeindeamt in Sulzberg herrscht eisige Stimmung. VN/Prock

Mittwoch, 19.45 Uhr in Sulzberg. In einer Viertelstunde geht es los. Im Erdgeschoss steht Lukas Schrattenthaler in seinem Büro am Schreibtisch. Auf dem Tisch daneben liegen zwei Stapel Papier. „Das muss ich morgen noch erledigen“, sagt der scheidende Bürgermeister. Ein Besucher betritt das Gemeindehaus, Schrattenthaler ruft ihn, er betritt das Büro und verabschiedet sich herzlich. Dann stiefelt er über die Treppe in den oberen Stock. Dort ist der Gemeindesaal bereits gut gefüllt – zumindest die 20 Plätze für die Zuschauer. Die Gemeindevertreterinnen und -vertreter fehlen noch. „Zeawas!“ Der nächste Zuschauer betritt den Saal.

Die Wahlkabine hat Schrattenthaler noch eigenhändig aufgestellt. <span class="copyright">VN//Prock</span>
Die Wahlkabine hat Schrattenthaler noch eigenhändig aufgestellt. VN//Prock

Der Bürgermeister hat die Wahlkabine eigenhändig aufgestellt. Die Wahl muss schriftlich erfolgen. Und da die Gemeindevertreter so eng sitzen, dass eine geheime Wahl sonst nicht möglich wäre, braucht es die Kabine. Um zehn vor acht nehmen auch die ersten Politikerinnen und Politiker ihre Plätze ein. Die Zuschauer kuscheln – nicht wegen der Kälte. Es ist eng, andere bringen neue Stühle rein. Draußen schauen Menschen von der offenen Türe aus zu. Schwierig: Für die Sitzung muss die Tür geschlossen werden. Die Menschen in Sulzberg möchten wissen, was in ihrer Volksvertretung passiert.

Schrattenthaler hat sein Büro bereits aufgeräumt. <span class="copyright">VN/Prock</span>
Schrattenthaler hat sein Büro bereits aufgeräumt. VN/Prock

20 Uhr. „Herzlich willkommen zur Gemeindevertretungssitzung“, spricht Bürgermeister Schrattenthaler und hat eine Ankündigung parat: „Es hat in der Gemeindevertretung einen weiteren Rücktritt gegeben.“ Bevor es ans Eingemachte geht, müssen also vier neue Gemeindevertreter angelobt werden.

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Zwei Punkte stehen noch auf der Tagesordnung: Wahl des Gemeindevorstands und Wahl des Vizebürgermeisters. Es ist dringend nötig. Nach mehreren Rücktritten besteht der Gemeindevorstand nur aus einer Person. Die Gemeinde ist eigentlich nicht handlungsfähig, sagt Schrattenthaler.

Die Ahnengalerie im Gemeindehaus. Schrattenthaler dürfte darauf verzichten, in der Reihe der Bürgermeister aufzuscheinen. <span class="copyright">VN/Prock</span>
Die Ahnengalerie im Gemeindehaus. Schrattenthaler dürfte darauf verzichten, in der Reihe der Bürgermeister aufzuscheinen. VN/Prock

Der Beginn des Übels liegt einige Jahre zurück. 2019 suchte man in Sulzberg lange Zeit nach einem neuen Bürgermeister. Der Tiroler Lukas Schrattenthaler übernahm die Verantwortung – und geriet ein Jahr später mit einem Teil des Dorfestablishments aneinander. Der Heimleiter des Seniorenheims ging trotz Coronainfektion zur Arbeit ins Heim. Schrattenthaler musste ihn suspendieren und später entlassen. Bei einigen im Dorf sorgte das für Aufregung – die sich bis heute nicht gelegt hat. Hinter den Kulissen ist von Drohungen gegen Gemeindemitarbeiter und Mandatare die Reden. Schrattenthaler äußerte sich nicht mehr groß dazu. Mit seinem Rücktritt wolle er Familien, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie sich selbst aus der Schusslinie nehmen und hoffe, dass jetzt wieder Ruhe einkehrt, schrieb er in einem Statement. Und er schrieb: „Solche Vorfälle dürfen nicht unbeachtet bleiben.“

Einige Plätze sind für Ersatzmitglieder freigehalten worden. Am Ende saßen vor allem Zuseher auf diesen Bänken. <span class="copyright">VN/Prock</span>
Einige Plätze sind für Ersatzmitglieder freigehalten worden. Am Ende saßen vor allem Zuseher auf diesen Bänken. VN/Prock

Im Saal hat Schrattenthaler mittlerweile die drei Kandidatinnen und Kandidaten für den Gemeindevorstand vorgelesen. Die Sitzung ist gerade acht Minuten alt, da schreiten die Gemeindevertreterinnen und -vertreter zum ersten Mal ins Kabäuschen. 18 Mandatare stimmen ab, 14 für Helene Blank. Wahl angenommen, aber nicht ohne kritische und emotionale Worte Richtung Bürgermeister. Nummer zwei, selbe Prozedur. Elmar Fink, ebenfalls 14 Stimmen. Wahl ebenfalls angenommen – und ebenfalls mit Kritik am Bürgermeister. Beide Gemeindevorstände, die kürzlich zurückgetreten sind, sitzen also wieder in ihrem Amt. Blank wie Fink betonen: Die Vertrauensbasis habe nicht mehr gepasst. Der angesprochene Schrattenthaler erspart sich jeglichen Kommentar.

Im Gemeindehaus in Sulzberg ging es in den vergangenen Wochen rund. Am Mittwoch bleibt es ruhig. <span class="copyright">VN/Prock</span>
Im Gemeindehaus in Sulzberg ging es in den vergangenen Wochen rund. Am Mittwoch bleibt es ruhig. VN/Prock

Die Tage des Rücktritts sind chaotisch verlaufen. Zuerst treten besagte Gemeindevorstände aus Protest gegen den Bürgermeister zurück. Die Stimmung kippt darauf endgültig, ein Riss geht durchs Dorf. Der Bürgermeister und sein Vize möchten gehen, um die Wogen zu glätten – doch rechtlich ist es gar nicht so leicht. Das Gemeindegesetz sieht einen gleichzeitigen Rücktritt nicht vor. Ein Bürgermeister kann den Rücktritt nur bei seinem Vize einreichen, und umgekehrt. Also trat nur der Vize zurück, Schrattenthaler blieb im Amt. Erst, wenn es einen neuen Vizebürgermeister gibt, kann er zurücktreten.

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Kurz vor halb neun. Vor der Wahlkabine reihen sich erneut die Gemeindevertreter auf, um den dritten Gemeindevorstand zu wählen. Mit 17 von 18 Stimmen wird Johannes Feurle im Gremium begrüßt. Tagesordnungspunkt erledigt. „Seien wir froh, dass wir wieder einen handlungsfähigen Vorstand haben“, sagt der Bürgermeister und wünscht allen alles Gute.

Hier werden die Weichen für die Zukunft gestellt.<span class="copyright"> VN/Prock</span>
Hier werden die Weichen für die Zukunft gestellt. VN/Prock

Tagesordnungspunkt 3. Wahl des Vizebürgermeisters. Es gibt nur einen Wahlvorschlag. Der neue Gemeindevorstand soll direkt Vizebürgermeister werden. Die Reise um das Sitzungs-O beginnt erneut. Kurz darauf steht fest: Johannes Feurle ist der neue Vizebürgermeister. 17 von 18 Stimmen.

Nicht nur, weil die Mandatare an diesem Abend mehrfach im wahrsten Sinne des Wortes zur Wahl schreiten, halten sie eine ungewohnt sportliche Sitzung ab. Auch zeitlich bleibt es knapp. Noch zwei allfällige Punkte (Busverbindung und Dreitälerpass), Dankesworte des scheidenden Bürgermeisters. Erst als Schrattenthaler die Sitzung schließt, erhebt sich ein Gemeindemandatar erneut von seinem Platz und richtet Worte an die Gemeinde. Er bedankt sich zunächst beim scheidenden Bürgermeister und entschuldigt sich bei den Bürgern für das Bild, das die Politik abgegeben hat. Seine Kritik richtet sich an eine kleine Gruppe, die dafür verantwortlich sei. Nach 45 Minuten ist alles vorbei. Lukas Schrattenthaler soll es recht sein. Er darf endlich zurücktreten.

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Heute ist es so weit. Sein Nachfolger soll Mitte Dezember in der Gemeindevertretung gewählt werden. Heißer Kandidat: Der neue Vizebürgermeister Johannes Feurle. Schrattenthalers letzte Worte, bevor er die Sitzung beendet, sind an Feuerle gerichtet. Der Bürgermeister wünscht dem Vize alles Gute und sagt: „Herr Vizebürgermeister, morgen 9 Uhr Angelobung beim Bezirkshauptmann. Lichtbildausweis mitnehmen.“ Kurze Pause. „Und dann bitte mich anrufen.“

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