Thomas Schmid im Kurz-Prozess: „Ich habe mit diesen Leuten nichts mehr zu tun“

VN-Reportage aus Wien: Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid sprach im Kurz-Prozess von einem “Neustart” und widersprach dem Beschuldigten deutlich. Seine Befragung wurde nicht beendet.
Wien Er würdigt Sebastian Kurz keines Blickes. Als Thomas Schmid den Großen Schwurgerichtssaal am Wiener Straflandesgericht betritt, wird offensichtlich, was er später im Rahmen seiner Einvernahme als Zeuge ausführt. Ob er sich freundschaftlich mit dem Altkanzler verbunden fühlt, fragt der Richter den früheren Vorstand der staatlichen Holding ÖBAG.
„Schauen Sie, mit Freundschaften ist das so eine Sache …“, antwortet dieser im Blick auf die Zusammenarbeit in der Vergangenheit. Und heute? „Ich habe mit dem Herrn Kurz nichts mehr zu tun“, sagt Thomas Schmid und wird noch deutlicher: „Ich habe mit diesen Leuten nichts mehr zu tun“, er habe einen „Neustart“ gemacht.
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Der Kampf um den Kronzeugen
Thomas Schmid gilt als der wichtigste Zeuge im Strafprozess gegen Sebastian Kurz und dessen früheren Kabinettschef Bernhard Bonelli. Ihnen wird vorgeworfen, im Ibiza-Untersuchungsausschuss falsch ausgesagt zu haben, Kurz hat laut Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft etwa seine Rolle rund um die Bestellung Schmids zum ÖBAG-Vorstand heruntergespielt. Belegt sehen die Ankläger die Vorwürfe durch zahlreiche Chats unter anderem mit Schmid, die ein anderes Bild zeichnen sollen. Beide Angeklagte beteuern ihre Unschuld.

Schmid hat im “CASAG-Verfahren“ – das unter anderem die “Inseratenaffäre“ umfasst – den Kronzeugenstatus beantragt. Das bedeutet, dass er straffrei bleiben könnte, wenn er vollständig aussagt und im Ermittlungsverfahren auch neue Tatsachen ans Tageslicht bringt.
Und Schmid sagt auch in diesem, im laufenden Verfahren gegen Kurz und Bonelli, aus. Ob er die Wahrheit sagt, wird der Vorsitzende, Richter Michael Radasztics, beurteilen müssen. Ob seine zahlreichen Widersprüche zu den Aussagen von Sebastian Kurz glaubhaft wirken. Etwa sagte der Altkanzler zuletzt vor Gericht, dass seine berühmt gewordene “kriegst eh alles was du willst 😘😘😘”-Nachricht als ein Versuch, Schmid einzubremsen, verstanden werden sollte. Schmid zu dieser Nachricht heute: “Das war positiv.” Er habe sich darüber gefreut.

Sebastian Kurz wird immer wieder seinen Unmut über die Aussagen Schmids kundtun. Aber nicht verbal. Der Altkanzler kommt am gesamten Verhandlungstag nicht zu Wort, der Altkanzler ist zum Zuhören verdammt. Es ist dies eine Rolle, die er in seiner gesamten politischen Laufbahn nicht inne hatte. Also spricht er zumindest deutlich aufgebracht mit dem Zweitangeklagten, vereinzelt als würde er den “Scheibenwischer” andeuten.
Einmal bricht es aber aus Sebastian Kurz heraus, er ruft während der Befragung Schmids offensichtlich erbost hinein.
Der Richter ermahnt ihn: “Herr Kurz, bitte.”
In einer Verhandlungspause fragte Kurz in Richtung der Journalisten: “Noch fit?”
Verteidigung und Richter an der Reihe
Unterdessen war es Schmid offensichtlich ein Anliegen, das Bild eines allüberwachenden Altkanzlers zu zeichnen. Sebastian Kurz sei es sehr wichtig gewesen, bei der Bestellung von Aufsichtsräten in der ÖBAG mitzureden – obwohl eigentlich formell der damalige Finanzminister Hartwig Löger zuständig war. Und ihm sei auch seine eigene, Schmids, Bestellung ein Anliegen gewesen, habe ihn persönlich gefragt, ob er eine neue Rolle bei der ÖBAG annehmen würde: “Das war für mich natürlich eine große Auszeichnung.”
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“Ich war mir sicher, er will mich dort auch sehen.”
Diesen Eindruck hielt er über die gesamte Verhandlung aufrecht, auch als diese Chat-Nachricht von Ex-Finanzminister Gernot Blümel vorgelegt wurde: “Kein Sorge, du bist Familie”, ließ er Schmid wissen, als “Thomas, du bist einer von uns”, interpretierte der Zeuge das.
Fortsetzung am Freitag
Der Verhandlungstag ging äußerst ungewöhnlich über die Bühne. Entgegen des “klassischen” Verlaufs einer Hauptverhandlung ließ nämlich der Vorsitzende – auf Antrag der Verteidigung der beiden Angeklagten – zunächst ebendiese Verteidigung mit ihren Fragen an Thomas Schmid zu Wort kommen.
Und diese Fragen zogen sich. Nach der Befragung durch den Richter dauerten die Ausführungen von Kurz’ und Bonellis Anwälten und die Erwiderungen Schmids bis in die Abendstunden an. So entschied sich der Vorsitzende gegen kurz vor 19 Uhr dafür, die Befragung des Zeugen durch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft auf Freitag zu vertagen. Auch weil Schmid ausführte, langsam aber sicher, nach mehr als acht Stunden Befragung, an einem Konzentrationslimit angekommen zu sein.

Also wird die Anklagebehörde erst am Freitag an die Reihe kommen. Man hätte einige Fragen, führte der Vertreter der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft aus. Diese wird sie am 15. Dezember ab 9.30 Uhr stellen können. Die für diesen Zeitpunkt geplante Befragung des ehemaligen Finanzministers Gernot Blümel wird auf einen späteren Verhandlungstag verschoben. Und der Prozess wird auch noch im kommenden Jahr andauern.
Ein Schulterklopfer
Vielleicht erhalten dort die Anwälte von Kurz’ und Bonelli Antworten auf ihre Fragen, die Schmid mit vermeintlichen Widersprüchen konfrontierten, vor allem um die Glaubwürdigkeit des Zeugen anzugreifen. So wurde etwa neu aufgerollt, dass Schmid versucht hatte, Daten zu löschen, was dieser erst gar nicht bestritt. Aber: “Ich habe offenbar nicht alles gelöscht, sonst würden wir jetzt nicht über Chats reden, aber ich habe offenbar geglaubt, alles gelöscht zu haben.”
“Ich habe offenbar nicht alles gelöscht, sonst würden wir jetzt nicht über Chats reden, aber ich habe offenbar geglaubt, alles gelöscht zu haben.”
Thomas Schmid während seiner Einvernahme
Nicht gelöscht, sondern vom Display abfotografiert, hatte Kurz unterdessen eine Nachricht Schmids, in der er ihm zu einem Interview in der “ZiB2” anlässlich der “Causa Beinschab” gratulierte: “Das war ein sehr guter Auftritt mit Darlegung, wie es wirklich war”, schrieb Schmid damals in dem eigentlich selbstlöschenden Chat. Eine Antwort auf die Frage, was damit gemeint war, blieb Schmid schuldig.
Vorerst gab es von Bonellis Anwalt Werner Suppan also nur einen Schulterklopfer. Für Thomas Schmid, als dieser den Saal verließ. Inklusive Blick.