„From the River to the Sea”
Heerscharen von Demonstranten ziehen durch Europas und Amerikas Straßen und demonstrieren gegen Israel bzw. für die Palästinenser. Ihr Lieblingsslogan: „Vom Fluss bis zum Meer“, oder, noch besser, auf Englisch „From the River to the Sea“, denn dass reimt sich so trefflicher auf „Palestine will be free“. Der Slogan stammt eins zu eins aus der politischen Giftküche der Hamas und bedeutet nichts anderes als „Palästina vom Jordan zum Mittelmeer“ – also logischerweise die Auslöschung Israels. Also vielleicht ein Genozid an den Israeli, nach dem Muster der bestialischen Hamas-Mordaktion vom
7. Oktober, als Wunschvorstellung der eifrigen DemonstrantInnen?
Nun hat die Sache einen Schönheitsfehler – beziehungsweise eine groteske Note, inmitten des täglichen Horrors – wie Ron E. Hassner, Professor für Politikwissenschaft an der University of California in Berkeley, ermittelte: Er führte eine Befragung von Studierenden quer durch die USA durch, um die Solidität ihres Wissens in nahöstlichen Angelegenheiten zu ermitteln. Er befragte jene, die gerne jene so trendige Kampfparole skandieren und auf Protestposters vor sich hertragen, welches denn dieser Fluss und welches denn dieses Meer wohl sei.
Das Ergebnis war bemerkenswert. Nur die Hälfte der Befragten war in der Lage, die doch ziemlich elementare geografische Frage nach Jordan einerseits und Mittelmeer andererseits zu beantworten: 53 Prozent der solcherart engagierten Studenten und Studentinnen hatten laut dieser Untersuchung keine blasse Ahnung, was sie da eigentlich forderten. Einige dachten, dass da der Nil gemeint sei. Und manche glaubten, so unglaublich das auch für die Ohren gebildeter Europäer klingen mag, bei jenem „Meer“ müsse es sich – man reibt sich die Augen – um die Karibik handeln.
Dass jener – von Rassismus-Experten als „Aufforderung zum Genozid an den Juden“ qualifizierte – Slogan ernste Konsequenzen haben kann, zeigt der Skandal um die Äußerung von Claudine Gay, der Rektorin der prestigeträchtigen Harvard University: Nicht nur sie, sondern auch andere amerikanische Rektoren wie Elizabeth Magill von der University of Pennsylvania, beantworteten die Frage, ob Aufrufe von Studenten und Dozenten zum Massenmord an Juden gemäß Universitätsregeln rassistische „harassment“) darstellten, verharmlosend, dies sei „vom Kontext abhängig“.
Harvard und andere „Ivy League“-Eliteuniversitäten in den USA müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, ihre jüdischen Studenten schutzlos den bedrohlich ansteigenden antisemitischen Übergriffen von Kommilitonen auszusetzen. In den führenden akademischen Institutionen der USA herrscht inzwischen ein Klima des Hasses, der Angst und Aggression.
Charles E.
Ritterband
charles.ritterband@vn.at
Dr. Charles E. Ritterband ist Journalist und Autor sowie langjähriger Auslandskorrespondent der Neuen Zürcher Zeitung (seit 2001 in Wien).