Regionaler Journalismus ist die Zukunft des Journalismus

Experten erklären, wo die Gefahren und die Chancen des regionalen und lokalen Journalismus liegen.
Darum geht’s:
- Regionaler und lokaler Journalismus hat größere Vertrauenswerte als andere Medien.
- Lokaljournalismus kann eine Plattform für die lokale Bevölkerung sein und einzigartige Geschichten bieten.
- Lokaljournalismus bietet ein Gegengewicht zu globalen Plattformen und ist besonders wichtig für junge Leser.
Schwarzach Wenn Sie diese Zeilen lesen, zählen Sie wahrscheinlich zur großen Gruppe jener Menschen, die eine Landeszeitung abonniert haben. Und die Chance ist groß, dass Sie auch in einigen Jahren noch dazu gehören. Denn dem Regional- und Lokaljournalismus wird von Expertinnen und Experten die größte Chance eingeräumt, die Medienkrise zu überstehen. Und das liegt vor allem am speziellen Draht zwischen uns Journalistinnen und Journalisten und Ihnen, liebe Leserinnen und Leser.
Vertrauenswürdiger Journalismus
Der allgemeine Befund lautet: Journalismus befindet sich in einer Vertrauenskrise. Doch dieser Befund ist mit Vorsicht zu genießen. Denn “den Journalismus” als solchen gibt es nicht. Schon die Medien unterscheiden sich stark. Und hier zeigt sich: Regional verankerte Medien verfügen über höhere Vertrauenswerte. Laut dem aktuellen Reuters Digital News Report finden zwar 21,4 Prozent Lokal- und Regionalzeitungen nicht vertrauenswürdig. Das ist aber der niedrigste Wert aller abgefragten Medien. Auf Platz zwei folgen die ORF Nachrichten mit 23,6 Prozent von Menschen, die ihnen nicht vertrauen. Umgekehrt heißt das übrigens, dass fast 80 Prozent diesen Medien vertrauen oder neutral gegenüberstehen. Und dieses Vertrauen hat auch einen Grund, sagen Experten.
Regionaler Journalismus als Plattform
Zum Beispiel Andy Kaltenbrunner vom Medienhaus Wien. Er und seine Kolleginnen und Kollegen haben kürzlich den Journalismusreport Nummer sieben veröffentlicht. Schwerpunkt: Lokaljournalismus. Er ist überzeugt: “Lokaljournalismus wird sich in Zukunft sicher leichter tun als andere Journalismusfelder.” Denn der Lokaljournalismus kennt seine Leserinnen und Leser. Er kann eine Plattform sein für die lokale und regionale Bevölkerung, ist näher bei den Menschen als andere Medien und kann so etwas bieten, das weder in den digitalen Netzwerken noch in überregionalen Medien zu finden ist: einzigartiger Journalismus aus der Region, der sich mit den Problemen und Erlebnissen der Menschen vor Ort beschäftigt. Mit Ihren Erlebnissen liebe Leserinnen und Leser. “Lokale und regionale Medien verstehen sich als Anwälte der Bevölkerung, die lokale Fragen ansprechen”, betont Kaltenbrunner. Das heißt: Wenn Lokaljournalismus es schafft, die Menschen ernst zu nehmen und eine Plattform zu bieten, hat er mehr Zukunft als andere Medien.

Auch Emotionen gehören zum Journalismus. Hier warnt Kaltenbrunner jedoch: Zu viel darf es nicht sein, speziell die Gefahr von sogenannten Clickbait-Überschriften ist im Lokalen hoch, da Emotionen in vielen Geschichten vorhanden sind. “Aber gerade im Lokalen braucht man das nicht. Der einzigartige Content liefert Grund genug, um eine Geschichte zu lesen.” Wichtigster Punkt bleibt stets professioneller Journalismus.
Perspektive des Publikums
Eine Existenzberechtigung von Medien ist die Kontrolle der Macht. Die bleibt natürlich auch im Lokalen und Regionalen bestehen. Kaltenbrunner ist überzeugt: “Wenn man die Perspektive der Menschen im lokalen Raum einnimmt und glaubwürdig als Vertreter des Publikums auftritt, entstehen automatisch Geschichten, die den Mächtigen nicht gefallen.” Man müsse gar keine überhöhte Watchdog-Funktion einnehmen, sondern einfach die Publikumsperspektive einnehmen. Und das kann professioneller regionaler Journalismus wie die Landeszeitungen leisten.

Phoebe Maares vom Journalism Studies Center an der Uni Wien ergänzt: “Lokaljournalismus funktioniert, weil er zur Identität des Publikums gehört. Dafür müssen allerdings die Menschen, die in diesen lokalen Medien arbeiten, Teil der Community sein.” Die Vorarlberger Nachrichten seien ein gutes Beispiel, wie das funktioniert, sagt Maares. Sie warnt aber: “Wir sehen in der Forschung viele ausgedünnte Redaktionen. Wenige Leute müssen vieles leisten. Das widerspricht natürlich diesem Communitygedanken, dass man zu den Menschen rausgeht und mit ihnen spricht.” Auch sie betont, dass Investigativnachrichten gefragt sind. Allerdings: “Lokaljournalismus ist auch dazu da, positive Nachrichten der Gemeinschaft hervorzuheben.”
Gegengewicht zu globalen Plattformen
Zählen Sie zu Leserinnen und Lesern unter 30, ist die Chance groß, dass dieser Artikel über eine Timeline des digitalen Netzwerkes Ihrer Wahl in Ihr Blickfeld gespült worden ist. Sie werden in dieser Timeline wenig regionalen Journalismus finden, außer von den wenigen regionalen Medien. “Wenn wir ein Gegengewicht zu den globalen Plattformen setzen wollen, dann muss das Lokaljournalismus sein”, ist auch Josef Seethaler von der Österreichischen Akademie der Wissenschaft überzeugt. “Das geht gar nicht anders. Die global relevanten Themen kommen über unzählige Kanäle. Aber vor Ort im lokalen Raum sind diese globalen Plattformen nicht zu Hause.”

Was aber eben auch klar ist: Professioneller Journalismus kostet Geld. Und an diese Front kämpfen viele Medienhäuser. Denn so offen müssen wir sein: Falls Sie diesen Text auf einem Blatt Papier lesen, zählen Sie, liebe Leserinnen und Leser, zwar in Vorarlberg noch zur Mehrheit der VN-Leserinnen und -Leser, aber der Anteil des Printpublikums nimmt ab. Und damit auch der Anteil der Printabos. Im Alter zwischen 45 und 54 Jahren ist der Anteil der Menschen, die sich digital informieren und jener, die sich traditionell informieren, mit rund 24 Prozent in etwa gleich hoch. Menschen ab 55 informieren sich mehrheitlich traditionell. Bei den 18- bis 24-Jährigen sieht es allerdings ganz anders aus: Fast 40 Prozent informieren sich digital, weniger als 20 Prozent traditionell. Das geht aus dem aktuellen Reuters Digital News Report hervor. Er zeigt aber auch, vor welchem Problem die Medien damit stehen: 14,3 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher haben im vergangenen Jahr für Online-Nachrichten bezahlt. Allerdings befinden sich darunter wiederum überproportional viel junge Menschen. Trotzdem zeigt sich: Professioneller Journalismus muss Argumente liefern, damit Sie, liebe Leserinnen und Leser, auch dafür bereit sind, diese Dienstleistung zu bezahlen. “Aber das ist ein Problem, das alle Medien betrifft”, sagt Phoebe Maares.
Wir jedenfalls werden weiterhin versuchen, Ihnen professionellen und regionalen Journalismus zu liefern – und damit für Ihre Mitgliedschaft im regionalen Klub der Vorarlberger Nachrichten zu werben. In den vergangenen 160 Jahren Landeszeitung und über 70 Jahren Vorarlberger Nachrichten ist das Zusammenspiel zwischen Ihnen und uns ja sehr gut gelungen. Auf viele weitere Jahrzehnte Journalismus für Vorarlberg.