Höchstgericht hat kein Problem mit Vergabekriterien für Immo-Kredite

Verfassungsgerichtshof sah für Antrag eines Vorarlbergers auf Aufhebung der KIM-Verordnung keine Chance. Ohnehin ist die Nationalbank skeptisch, wie stark sich die Auflagen für Immobilienkredite tatsächlich auswirken.
Wien Eine Eigentumswohnung sollte es werden. Diesen Traum wollte sich ein Vorarlberger erfüllen. Die Kosten: 216.580 Euro, ein Teil davon für eine notwendige Sanierung. Doch trotz verfügbarer Eigenmittel von 30.000 Euro blieb dem Mann ein Kredit für die Wohnung verwehrt. Der Grund: Die KIM-Verordnung, mit der die Finanzmarktaufsichtsbehörde Auflagen für die Vergabe von Immobilienkrediten festlegt. Der Vorarlberger hätte mit seinem auf 30 Jahre ausgelegten Kredit nämlich eine Obergrenze überschritten – die monatliche Rate von 911,45 Euro hätte 46,88 Prozent des verfügbaren Nettoeinkommens in Anspruch genommen.
Laut Verordnung darf diese Schuldendienstquote bei höchstens 40 Prozent liegen.

Also wandte sich der Mann an den Verfassungsgerichtshof. Doch dieser wies das Begehren auf Aufhebung der Auflagen schon im Juni einmal zurück. Der Antragsteller hätte nicht konkret genug dargelegt, wie ihn die Bestimmungen der KIM-Verordnung tatsächlich betreffen. Er versuchte es also nochmals und brachte laut der Tageszeitung „Die Presse“ einen zweiten Antrag am Höchstgericht ein.
Er scheiterte auch damit. Das gab der Verfassungsgerichtshof am Mittwoch bekannt.
„Das Vorbringen lässt die behaupteten Gesetzwidrigkeiten als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass der Antrag keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat“, heißt es im Beschluss.
Und auf Deutsch: Der Antrag war aussichtslos.
Zur Kenntnis genommen
Vertreten wurde der Antragsteller vom Feldkircher Rechtsanwalt Georg Mandl. Die Entscheidung müsse man so zur Kenntnis nehmen, sagt dieser auf VN-Anfrage. Wenn man etwas Positives mitnehmen wolle, „dann ist es die für die Finanzmarktaufsichtsbehörde verpflichtende regelmäßige Überprüfung der Maßnahmen“ und die allfällige Anpassung an neue Voraussetzungen.
„Interessant ist, dass die Finanzmarktaufsichtsbehörde laut Verfassungsgerichtshof verpflichtet ist, ihre Maßnahmen laufend zu überprüfen. Ob ich die Ausnahmekontingente ausnutze, muss ich als Bank steuern: Beispielsweise werde ich immer auf das Ende des Halbjahres einen Puffer offen lassen, um etwa Kunden mit Baukostenüberschreitung zu unterstützen.“
Michel Haller, Vorstandsvorsitzender Hypo Bank Vorarlberg

Ähnlich reagiert Michel Haller, Vorstandsvorsitzender der Hypo Vorarlberg, im Gespräch mit den Vorarlberger Nachrichten. Er kenne den Fall nicht im Detail, hält diese Passage im Beschluss für interessant. Der Verfassungsgerichtshof wiederholt damit zwar primär die geltende Rechtslage, für Haller steht jedoch fest: „Spielräume hat die Behörde immer.“
Nicht ausgeschöpfte Ausnahmekontingente
Spielräume haben laut der Nationalbank aber auch die Banken selbst. Einem aktuellen Bericht an den Finanzausschuss des Nationalrates zufolge hat die Hälfte der Banken nicht einmal die Hälfte der in der Verordnung vorgesehenen Ausnahmekontingente genutzt. Das bekräftigt eine Sprecherin der Nationalbank auf VN-Anfrage: „Der Großteil der Banken hat die Ausnahmekontingente nicht ausgeschöpft. Im 1. Halbjahr 2023 standen noch 650 Millionen Euro zur Verfügung.“
Dabei handle es sich um ein „breites Phänomen, welches auf viele Banken in allen Bundesländern zutrifft“. Haller bestreitet das gegenüber den VN nicht, hält aber fest, dass gewisse Puffer und Spielräume notwendig seien, um etwa auf spontane Baukostenüberschreitungen zu reagieren. Nina Tomaselli, Wohnbausprecherin der Grünen im Nationalrat, lässt das aber nicht gelten: „Es ärgert mich massiv, dass die Banken lieber seit Monaten in den Medien jammern und die unabhängige Aufsicht infrage stellen, anstatt das Ausnahmekontingent für ihre Kunden auszuschöpfen“, sagt die Feldkircherin den VN.
„Beim Verfahren am Verfassungsgerichtshof handelt es sich um einen Grenzfall, für den in der KIM-Verordnung Ausnahmen vorgesehen sind. Ich verstehe nicht ganz, warum ihn da seine Hausbank so allein stehen lässt. Es ärgert mich massiv, dass die Banken lieber seit Monaten in den Medien jammern und die unabhängige Aufsicht infrage stellen, anstatt das Ausnahmekontingent für ihre Kunden auszuschöpfen.“
Nina Tomaselli, Wohnbausprecherin (Die Grünen)

Laut dem Bericht an das Parlament muss die „verringerte Leistbarkeit von Wohnraum in Österreich durch strukturelle Maßnahmen in anderen Bereichen hergestellt werden“. Welche das genau sein können, lässt die Nationalbank zwar offen, sie gebe dazu keine Empfehlungen ab. Die Sprecherin erwähnt aber beispielhaft Maßnahmen im Bereich der Wohnbauförderung.
Mehr Flexibilität bei Rückzahlungsrate gefordert
Seit den Mitte 2022 verschärften Vergabestandards dürfen Wohnbaukredite für Privatpersonen nicht mehr länger als 35 Jahre laufen, der Eigenmittelanteil muss mindestens 20 Prozent betragen. Und – der Bereich, in dem Michel Haller Anpassungen und mehr Flexibilität fordert – : Die Rückzahlungsrate darf eben maximal 40 Prozent des verfügbaren Nettoeinkommens ausmachen. Im Februar 2023 wurden die Regelungen für die Zwischenfinanzierung etwas gelockert.
Diese Kriterien sind für die Nationalbank aber nicht der Knackpunkt für schwierige Wohnraumfinanzierungen: Die Präsentation von Gouverneur Robert Holzmann und Vize Gottfried Haber für den Finanzausschuss legt nahe, dass vor allem der rasche Zinsanstieg das Kreditwachstum bremst. Im Vergleich zu 2022 ging das Kreditvolumen an Haushalte vergangenes Jahr um 1,4 Prozent zurück, getrieben von der negativen Entwicklung im Wohnbaubereich: „Langfristig betrachtet stellt dies eine gewisse Normalisierung nach Jahren sehr starker Kreditvergabe dar und spiegelt einen momentan europaweit feststellbaren Trend wider.“

Christian Hagspiel, Verantwortlicher für das Wohnraumgeschäft an der Dornbirner Sparkasse, stimmt zu, dass die monatliche Belastung beim aktuellen Zinsniveau schwierig ist, wiederholt aber, dass ihm die Flexibilität bei der KIM-Verordnung fehle: „Früher konnte ich Finanzierungen noch gut machen, wenn das Gesamtbild gepasst hat.“
Landeshauptmann Markus Wallner war zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes für die VN nicht erreichbar. In der Vergangenheit forderte er von der unabhängigen Behörde regelmäßig, die KIM-Verordnung vollständig auszusetzen. Parteikollege und Finanzminister Magnus Brunner wiederholte zuletzt die Forderung nach Erleichterungen bei der Finanzierung von Immobilienkrediten: „Die Zinsentwicklung ist eine andere, die wirtschaftliche Situation ist eine andere und die Finanzmarkt-Stabilität ist nicht gefährdet.“ So sollte bei der Kreditvergabe etwa auf die Höhe des Einkommens Rücksicht genommen werden. Die Finanzmarktaufsicht sei eine unabhängige Behörde, „aber eine Meinung kundtun, das darf man“, so Brunner.
