Demokratiebildung an Österreichs Schulen auf dem Prüfstand

Bildungsminister Martin Polaschek im VN-Gespräch über Maßnahmen zu mehr demokratischen und weniger antisemitischen Einstellungen an Schulen.
Wien Diese Ergebnisse darf man wohl getrost als erschreckend bezeichnen. 40 Prozent der Menschen zwischen 16 und 26 Jahren in Österreich bewerten die heimische Demokratie als „eher schwach“, vor fünf Jahren waren es mit 14 Prozent noch deutlich weniger. Das geht aus einer aktuellen Sonderauswertung des Demokratie-Monitors für das Parlament hervor.
„Nach wie vor fühlen sich 54 Prozent der jungen Menschen im Parlament kaum oder gar nicht vertreten – das ist mehr als jede:r Zweite. Unter jenen in prekärer finanzieller Lage sind es dabei mit 67 Prozent noch einmal deutlich mehr als unter den 16- bis 26-Jährigen ohne finanzielle Sorgen“, schreiben die Studienautoren von SORA. Den Grund für diese Ergebnisse sehen sie in der Pandemie: „Der Rückgang in der Repräsentationswahrnehmung hat sich bislang nicht wieder erholt.“
„Sehr gefährliche“ Einstellung junger Menschen
Für Bildungsminister Martin Polaschek, nicht Mitglied der ÖVP, aber von ihr nominiert, sind diese Zahlen Grund genug, das Feld der Demokratiebildung auf den Prüfstand zu stellen. Das kündigt er im Gespräch mit den Vorarlberger Nachrichten an: „Wir müssen uns Gedanken darüber machen, ob die Demokratiebildung, die wir an Österreichs Schulen betreiben, auch ankommt.“ Die in der Studie zum Ausdruck gekommene Einstellung junger Menschen zur Demokratie hält er für „sehr gefährlich“. Und: „Das muss uns zu denken geben“, sagt der Bildungsminister.

Martin Polaschek betont an dieser Stelle im Gespräch ebenfalls die Gefahr, die vom Antisemitismus ausgeht. Auch hier bietet eine vom Parlament in Auftrag gegebene Erhebung Datengrundlagen: So stimmten im Rahmen der aktuellsten Antisemitismusstudie etwa 16 Prozent der 16- bis 25-Jährigen der Aussage „In den Berichten über Konzentrationslager und Judenverfolgung im Zweiten Weltkrieg wird vieles übertrieben dargestellt“ entweder „voll und ganz“ oder „eher schon“ zu. Und immerhin 25 Prozent derselben Bevölkerungsgruppe sind „dagegen, dass man immer wieder die Tatsache aufwärmt, dass im Zweiten Weltkrieg Juden umgekommen sind“.
Jeder vierte junge Mensch in diesem Land stimmt dieser antisemitischen Aussage zu.

Keine Abstimmung über Hausaufgaben
Deshalb, so Polaschek, sei das auch in seinem Bildungsministerium ein Thema: „Wir machen uns aktuell darüber Gedanken, wie wir Antisemitismus künftig in den Schulen behandeln“, sagt er den VN. Ob dieser Denkprozess dann aber in einem neuen Schulfach über Demokratiebildung, wie es die Neos fordern, mündet, bezweifelt er: „Es gibt Bedarf in verschiedenen Bereichen, nicht nur im Bereich der Demokratiebildung. Ob die Antwort darauf ist, dass wir ständig neue Schulfächer einführen, glaube ich nicht – sondern eher, solche Inhalte in allen Fächern mitzuvermitteln.“
“Es gibt Bedarf in verschiedenen Bereichen, nicht nur im Bereich der Demokratiebildung. Ob die Antwort darauf ist, dass wir ständig neue Schulfächer einführen, glaube ich nicht.”
Martin Polaschek, Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung

Dazu gehöre etwa, Demokratie an der Schule zu leben, zu üben und den jungen Menschen näherzubringen: „Was aber nicht heißen muss, dass die Schülerinnen und Schüler im Mathematikunterricht darüber abstimmen, welche Aufgaben zur Hausübung gegeben werden.“
Der Ein-Tages-Diktator in den USA
Auch angesichts des anstehenden Superwahljahrs sieht das Polaschek als notwendig an: „Wir leben in einer Zeit, in der demokratische Institutionen weltweit auf dem Prüfstand stehen. Wir müssen uns von der Idee verabschieden, dass die Demokratie von allen Menschen als die beste Staatsform gesehen wird. Autoritäre Systeme auf der ganzen Welt nehmen zu, Personen, die ganz klar autoritäre Ziele verfolgen, werden auf demokratischen Wegen gewählt“, sagt der Bildungsminister und blickt in die Vereinigten Staaten: „Dort ist es durchaus eine reale Option, dass Donald Trump wieder Präsident werden kann, der schon einmal gesagt hat, ‚nur‘ an seinem ersten Tag im Amt ein Diktator sein zu wollen. Das muss einem zu denken geben und da reicht auch schon der Blick über die Grenze.“
Auch in Österreich wird 2024 ein neuer Nationalrat gewählt.
