Horror-Überfahrten auch für Ländle-Rinder

Politik / 09.01.2024 • 17:00 Uhr
Horror-Überfahrten auch für Ländle-Rinder
Auch Kalbinnen aus Vorarlberg werden nach Algerien verkauft. The Marker

Wieder Aufregung um Tiertransporte auch aus Vorarlberg. Es geht um Zuchttiere, die bis nach Algerien verschifft werden.

Darum geht’s:

  • Viele Rinder aus Österreich werden in Drittländer exportiert, darunter auch nach Algerien.
  • Österreich hat hohe Tierschutzstandards, aber Exporte nach Algerien sind EU-rechtlich erlaubt.
  • In Vorarlberg werden offiziell keine Rinder nach Algerien exportiert, aber indirekte Transporte sind möglich.

Schwarzach Ein Gasthof in Vorarlberg, an einem Septembertag im Jahr 2022. An einem Tisch sitzen vier Männer. Sie sehen sich Straßenkarten auf dem Handy an und sprechen über Kühe. Es sind zwei Viehhändler aus Vorarlberg, denen zwei Händler aus Algerien gegenübersitzen.

Sie reden über den Export von Kalbinnen, also trächtigen jungen Kühen. Die Tierschutz-Rechercheplattform „The Marker” hat Transporte aus Österreich bis nach Algerien begleitet und aufgedeckt, wie mit den Tieren vor Ort umgegangen wird. Auch die ORF-Sendung „Report” berichtet darüber.

Ann-Kathrin Freude und Tobias Giesinger von „The Marker". <span class="copyright">VN/Prock</span>
Ann-Kathrin Freude und Tobias Giesinger von „The Marker". VN/Prock

Dass Tiere aus Österreich in Drittländer exportiert werden, ist keine Seltenheit. Im Jahr 2021 sind zum Beispiel 11.563 Rinder in Drittstaaten exportiert worden, davon einige auch nach Algerien. In Österreich ist das Gesundheitsministerium von Minister Johannes Rauch für Tiertransporte zuständig. Eine Pressesprecherin des Ministers betont auf VN-Anfrage: „Generell ist die Zahl der Tiertransporte in ganz Europa viel zu hoch.” Österreich habe deswegen mit dem Tierschutzgesetz 2022 überdurchschnittlich hohe Tierschutzstandards eingeführt. Bezüglich Transporte nach Algerien bestehe allerdings das EU-rechtliche Problem, dass sie legal sind, solange regelmäßige Trink- und Ruhepausen eingehalten werden.

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In anderen EU-Ländern gelten Transporte in dieses Land als verpönt, in Deutschland etwa ist der Export nach Algerien untersagt worden. Aus dem österreichischen Gesundheitsministerium heißt es dazu: „Es wird geprüft, ob und wie sich diese Regelung auf Österreich übertragen lässt.” Deutschland argumentiert mit der Schlachtung in Algerien. Dort werden die Tiere nämlich in der Regel ohne Betäubung geschlachtet. Den Rindern wird die Kehle aufgeschnitten, damit sie verbluten. „The Marker” hat einen Schlachthof besucht und gefilmt.

Achtung, in diesem Video ist der Schlachtvorgang zu sehen:

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In Vorarlberg heißt es offiziell, dass keine Vorarlberger Rinder nach Algerien exportiert werden. „Von Vorarlberg ist kein Tiertransport nach Algerien abgefertigt worden”, betont Agrarlandesrat Christian Gantner auf VN-Anfrage. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Tiere nicht trotzdem in Afrika landen. Transporte innerhalb Österreichs müssen nämlich nicht von einem Amtstierarzt abgefertigt werden. Das heißt: Ein Vorarlberger Händler verkauft die Tiere an einen anderen österreichischen Händler, der wiederum an einen weiteren Zwischenhändler oder nach Algerien. Gantner betont: „Man muss sich da schon auch die Frage stellen, wie lange ich als Besitzer für mein Tier verantwortlich sein soll. Und wie lange die Politik dafür verantwortlich sein soll. Wenn ein Privater seine Tiere nach Ried zur Versteigerung bringt, dann bekommen wir das gar nicht mit.”

Landesrat Christian Gantner.<span class="copyright"> VN/Hartinger</span>
Landesrat Christian Gantner. VN/Hartinger

Wie jener Vorarlberger Händler, der sich im September 2022 mit Händlern aus Algerien getroffen hat. „The Marker” besitzt Unterlagen, die dieses Treffen belegen. Der Händler macht auf VN-Anfrage auch gar keinen Hehl daraus. Er sei aber ein kleiner Fisch und habe bei diesem Treffen nur einen Kontakt hergestellt. Gelegentlich verkaufe aber auch er nach Algerien, jedoch selten. Er betont, dass er als Privatunternehmen die Transporte ordnungsgemäß, nach aktuellen Standards und legal abwickelt.

Horror-Überfahrten auch für Ländle-Rinder
Großer Andrang bei einer Versteigerung in Österreich. The Marker

In Österreich gibt es zwei große Händler, die nach Algerien exportieren. Die Tiere werden dafür in einer Versteigerungshalle gesammelt, zum Beispiel in Ried im Innkreis. Dort werden die Tiere auf Transporter verladen und machen sich auf die lange Reise über Deutschland oder Italien nach Frankreich, wie „The Marker” dokumentiert hat. In Frankreich kommen die Tiere auf Schiffe. Schiffe wie die „Karim Allah”.

Horror-Überfahrten auch für Ländle-Rinder
Die Tiere werden auf die „Karim Allah” verladen. The Marker

Rückblick, 18. Dezember 2020. Im spanischen Hafen Cartagena werden rund 900 junge Bullen auf die „Karim Allah” geladen. Ihr Ziel: der türkische Hafen Iskenderun. Neun Tage lang sollte die Fahrt dauern. Doch die Türkei verweigert dem Schiff die Einfahrt. Manche der Tiere sollen aus einer Region stammen, in der die Blauzungenkrankheit ausgebrochen ist. Seuchenalarm! Für die Tiere beginnt ein Martyrium. Auch in Libyen und Tunesien dürfen die Tiere nicht landen. Die Tiere hungern unter Deck, stehen in ihrem eigenen Mist. Vor Sizilien erhält das Schiff zumindest neues Futter – aber die Bullen bleiben an Bord. Weil Europa keine Tiere aus Drittstaaten importieren darf, dürfen die Tiere auch nicht nach Spanien zurück. Schließlich darf das Schiff doch den Starthafen Cartagena ansteuern. Dort stellen die Tierärzte fest, dass viele Tiere sehr geschwächt sind. Sie empfehlen, die Rinder zu töten. 30 sind schon während der Fahrt gestorben. Im März 2021 werden die Tiere erlöst.

Die „Karim Allah" auf dem Weg nach Algerien. <span class="copyright">The Marker</span>
Die „Karim Allah" auf dem Weg nach Algerien. The Marker

Die „Karim Allah” ist eines der berüchtigten Tiertransportschiffe im Mittelmeer. 1965 als Autofähre vom Stapel gelassen, später als solche ausgemustert, transportiert sie unter libanesischer Flagge Tiere über das Mittelmeer. Eben auch Tiere aus Österreich, wie „The Marker” festgestellt hat. Tobias Giesinger von der Rechercheplattform erläutert: „Es gibt mehrere Tierschutzbedenken. Die Tiere sind hochträchtig, einem enormen Stress ausgesetzt und kämpfen mit der Klimaveränderung, den Haltungsbedingungen und schließlich der Schlachtung bei vollem Bewusstsein im Zielland.”

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Während nicht klar ist, wie viel Vorarlberger Tiere auf diesen Schiffen und am Ende in Algerien landen, werden andere Exporte aus Vorarlberg aufgezeichnet. Die Zahl der exportierten Rinder ist von 3714 im Jahr 2018 auf 4529 im Jahr 2022 gestiegen. Das liegt daran, dass die Schlacht von sogenannten Alttieren in Süddeutschland mehr Geld bringt. Ansonsten landen Alttiere meistens in Salzburg, was dazu führt, dass die Schlachtzahlen in Vorarlberg insgesamt zurückgegangen sind. Von 9191 im Jahr 2018 auf 7185 im Jahr 2022. Im gleichen Zeitraum ist die Zahl der Kälber-Exporte in die EU oder die Schweiz von 5755 Stück auf 3414 Stück zurückgegangen. Landesrat Gantner führt das auf mehrere Maßnahmen zur Verringerung der Kälbertransporte zurück.

Horror-Überfahrten auch für Ländle-Rinder
Tiertransporte von Österreich nach Frankreich. The Marker

Wie lange Transporte von Österreich nach Algerien erlaubt sind, bleibt offen. Wie oben erwähnt, prüft Österreich, ob das deutsche Exportverbot übernommen werden kann. Auch auf EU-Ebene wird verhandelt. Die Kommission hat einen Vorschlag für eine neue Exportverordnung vorgelegt. Österreich geht die Verordnung aber nicht weit genug, wie es aus dem Gesundheitsministerium heißt. „An manchen Stellen gibt es aber Nachbesserungsbedarf, etwa sollen die Transporte in Drittstaaten per Schiff weiter erlaubt sein. Hier gilt es jetzt, in den kommenden Verhandlungen in Rat und Europäischem Parlament auch auf europäischer Ebene noch Verbesserungen herbeizuführen.” Als Teil einer Tierschutz-Allianz (genannt Vught-Gruppe) versucht Österreich gemeinsam mit Belgien, Dänemark, den Niederlanden, Schweden und Deutschland, strengere Tierschutzstandards in der EU festzulegen.

Bis es so weit ist, werden aber noch viele Tiertransportschiffe das Mittelmeer in Richtung Süden befahren. Auch mit Ländle-Rindern.

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