Julia Ortner

Kommentar

Julia Ortner

Modeworte, die mehr als Mode sind

Politik / 16.01.2024 • 07:00 Uhr

Schwierige Situationen auszuhalten und Krisen gut zu überstehen – spätestens seit den Jahren der Corona-Pandemie ist dieses Wort nicht mehr vor allem im Sprachgebrauch von Psychologinnen oder Therapeuten zu finden: Resilienz. Damit ist die innere Fähigkeit gemeint, Probleme zu bewältigen, die psychische Widerstandsfähigkeit gegen Stress. Ein erstrebenswertes Merkmal, das viele in der modernen Wettbewerbsgesellschaft so zu erlangen versuchen: Noch ein Coaching, noch ein schlaues Buch, noch ein Lebenshilfe-Podcast, widerstandsfähig in unkalkulierbaren Zeiten!

Möglichst souverän mit Veränderungen umzugehen, ist in der beschleunigten Welt eine Herausforderung für den einzelnen Menschen, aber natürlich auch für Politik und Wirtschaft; ob im Privatleben, im Job oder in Organisationen – wir müssen uns an eine Welt anpassen, die sich in wachsender Geschwindigkeit verändert. Und dabei ist es irrelevant, was wir von den Veränderungen halten. Damit wurde aus dem Modewort der Resilienz viel mehr: Eine Grundbedingung für das Leben und Arbeiten im 21. Jahrhundert.

Ethik als Grundlage

Auch viele Unternehmen haben das erkannt, wie eine neue Studie der Germantech Stiftung bestätigt, die in Kooperation mit der digitalen Plattform und Weiterbildungsinitiative Ada durchgeführt wurde. 86 Prozent der Führungskräfte schätzen ihr Unternehmen demnach nach den Krisen der vergangenen Jahre als resilient ein, der große Druck hat viele Organisationen zur Anpassung ihrer Strategien gezwungen. In diesem Prozess spielen laut Ada vor allem Technologien eine wichtige Rolle, allen voran Künstliche Intelligenz. KI beschleunigt den Wandel der Welt, kann allerdings auch die Widerstandsfähigkeit von Unternehmen stärken. Dafür ist aber ein verantwortungsbewusster Umgang mit KI notwendig. Laut Studie hat mehr als die Hälfte der resilienten Organisationen ethische Richtlinien für den Einsatz von KI. Das belegt, dass ethische Standards beim Arbeiten mit neuen Technologien mehr als ein Instrument für Firmen-PR sind – man kann auf diese Weise etwa auch Risiken bei der KI-Implementierung minimieren.

„Aus dem Modewort der Resilienz wurde viel mehr: Eine Grundbedingung für das Leben und Arbeiten im 21. Jahrhundert.“

Wenn sich die Welt verändert und sich Herausforderungen jeder Art auftun, können es auch alte Tugendethiken sein, auf die man bauen kann, als Mensch und als Organisation. Aristoteles spricht schon davon, dass Menschen gut leben, sich also gut verhalten sollen, wenn sie miteinander ein gelingendes tugendhaftes Leben in der Gemeinschaft führen wollen. Dabei lässt sich tugendhaftes, also richtiges Handeln nur durch regelmäßige Übung verwirklichen. Genauso wie die Schulung unserer Widerstandsfähigkeit: Diese Übung ist – so lange man lebt – nie abgeschlossen.

Julia Ortner ist Journalistin mit Vorarlberger Wurzeln, lebt in Wien und arbeitet für den ORF-Report.