Leser:innen soll der Vergangenheit angehören

Politik / 23.01.2024 • 18:00 Uhr
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Die Aussage stößt auf Empörung. apa/VN

Bundeskanzler Karl Nehammer spricht sich für ein Genderverbot aus.

Wien, Bregenz Ärzt:innen, Lehrer:innen, Pfleger:innen, Leser:innen, Arbeiter:innen. Die Doppelpunkte, das Binnen-I oder Sternchen stoßen bei einigen auf Widerstand. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) möchte jetzt nach dem bayerischen Vorbild ebenfalls dieses Gendern, eine Form der geschlechtergerechten Sprache, verbieten. Das berichtet die Tageszeitung „Heute”. Eine Art Genderverbot soll es für Beamt:innen in der Verwaltung geben. Auch auf Schulen, Universitäten oder Fachhochschulen soll dies übergreifen, um den Schüler:innen und Student:innen das Schreiben der wissenschaftlichen Arbeit zu erleichtern. Es dürfe nicht prüfungsrelevant sein. Das Ausschreiben beider Geschlechterformulierungen (sprich: Leserinnen und Leser) sei „sinnvoll”, sagt Nehammer. „Übertriebene symbolisch aufgeladene Gendersprache jedoch nicht”, zitiert „Heute” den Kanzler. Dabei gendert das Kabinett von Karl Nehammer im Bundeskanzleramt in einer Aussendung vom 5. Jänner 2024 selbst und spricht von „300 Interessent:innen für 100 zusätzliche Kassenstellen“.

Leser:innen soll der Vergangenheit angehören
Das Bundeskanzleramt benutze noch am 5. Jänner selbst das Binnen-I und Doppelpunkt: https://services.bundeskanzleramt.gv.at/newsletter/bka-medien-newsletter/innenpolitik/2024-01-05-kassenstellen.html

Manche werden das Genderverbot erfreut begrüßen. Gleichstellungs-Landesrätin Katharina Wiesflecker (Grüne) lehnt es jedoch strikt ab. „Zu gendern ist ein Zeichen des Respekts. So werden alle Personen angesprochen”, sagt sie. Ausschließlich die feminine und maskuline Form zu verwenden, würde nicht die komplette Gesellschaft abbilden. „Gendergerechte Sprache zu verwenden, ist ein Teil der Gleichstellungspolitik.”

Wiesflecker lehnt die Aussage komplett ab.<span class="copyright"> steurer</span>
Wiesflecker lehnt die Aussage komplett ab. steurer

Zudem erklärt die Landesrätin, dass auch neutrale Bezeichnungen wie Mitarbeitende oder Teilnehmende benutzt werden können. „Es sollen alle Geschlechter sichtbar gemacht werden und als Land möchten wir alle ansprechen”, betont Wiesflecker. Über die Aussage des Bundeskanzlers zeigt sich die Politikerin empört: „Ich würde eine Ebene darüber gehen und sagen, dass Nehammer nach meiner Ansicht nach rechts rückt, wenn er sich so ausdrückt.” Es sei ein Erfolgsprozess rechter Parteien, gegen das Gendern, Asylsuchende und Klimaaktivist:innen zu hetzen. „Sie sprechen so eine gewünschte Zielgruppe an”, fügt Wiesflecker an. „Ich bedauere es sehr, dass er diesen Weg geht.” Schließlich sei das Gendern ein Ausdruck der Unternehmenskultur.

Gesellschaftliche Spaltung

Fabio Egger-Petter vom CSD-Pride Vorarlberg schließt sich der Landesrätin an. „Ich frage mich, was Nehammer damit bezwecken möchte. Durch solche Sachen fängt man an, die Gesellschaft zu spalten”, sagt er. Trans- und non-binäre Personen würden so aus der Gemeinschaft ausgeschlossen werden.

Fabio Egger-Petter (rechts) mit seinem Ehemann. <br><span class="copyright">Daniella Oyarzo</span>
Fabio Egger-Petter (rechts) mit seinem Ehemann.
Daniella Oyarzo

Auch GoWest, Verein für LGBTQ+ Community, sieht die Thematik ähnlich. „Wir finden das rückschrittlich und peinlich. Es gibt genug andere lebenswichtige Sachen, mit denen man sich eher befassen sollte”, sagt Vereinsvorstand Fynn Kirchner. „Wir finden es erst recht wichtig, die gendergerechte Sprache in den Schulen zu verwenden.” Dies würde das Bewusstsein sowie den Horizont der Schüler:innen – und nicht nur jener der Schülerinnen und Schüler – erweitern. „Außerdem gibt es Menschen, die sich weder mit dem Maskulinum noch Femininum angesprochen fühlen”, sagt Kirchner. Bundeskanzler Karl Nehammer wird bei seiner lang angekündigten Rede am Freitag in Wels wohl Konkreteres zu seinem Vorhaben erläutern. Und zuhören werden Bürger:innen.

<p class="caption">Nadine und Fynn Kirchner vom Verein „GoWest“ in Bregenz. <span class="media-container dcx_media_rtab" data-dcx_media_config="{}" data-dcx_media_type="rtab"> </span></p><span class="copyright">VN/PEM</span>

Nadine und Fynn Kirchner vom Verein „GoWest“ in Bregenz.  

VN/PEM