“Ohne Vollspaltboden hat man doppelte oder dreifache Arbeit”

Politik / 08.02.2024 • 18:00 Uhr
Jürgen Hagspiel entzieht den Schweinen zwar nicht den Boden unter den Füßen, er versteht aber jene, die Angst vor dem Aus der Vollspaltböden haben. <span class="copyright">VN/Steurer</span>
Jürgen Hagspiel entzieht den Schweinen zwar nicht den Boden unter den Füßen, er versteht aber jene, die Angst vor dem Aus der Vollspaltböden haben. VN/Steurer

Das Verbot der Vollspaltböden in der Schweinezucht stellt viele Züchter vor ein Problem. Jürgen Hagspiel befürchtet, dass die Importe zunehmen.

Hohenweiler Man muss nicht unbedingt Perlen vor die Säue werfen. Aber ein bisschen Stroh sollte es bald sein. Tierschutzminister Johannes Rauch (Grüne) möchte, dass Österreichs Schweinezüchter ab dem Jahr 2030 keine Vollspaltböden mehr verwenden. Für viele Landwirte in Österreich wird das zum Problem – sagt Jürgen Hagspiel aus Hohenweiler. Für ihn selbst aber nicht. Der Boden in seinem Stall, auf dem seine 300 Schweine leben, hat nur zum Teil Spalten. Trotzdem warnt er: Am Ende könnten die Importe zunehmen.

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Vorarlberg ist kein Schweineland. In den 1980er-Jahren hielten Vorarlbergs Landwirte noch rund 30.000 Schweine, mittlerweile sind es an die 6000. Der Eigenversorgungsgrad beträgt rund drei Prozent. Aber noch gibt es Landwirte wie Jürgen Hagspiel. Er ist einer der wenigen verbliebenen Schweinezüchter im Land. “Ich mache das nebenberuflich, davon könnte ich nicht leben”, erzählt der hauptberufliche Lehrer an der Landwirtschaftsschule in Hohenems. Seine Schweine leben zum Großteil auf einem geschlossenen Boden mit Stroh. Ein kleinerer Teil der Boxen ist mit einem Spaltboden ausgestattet. Die Böden haben den Vorteil, dass der Dreck durch die Spalten fällt und die Boxen sauber bleiben. Deshalb sind Spaltböden so beliebt. Hagspiel rechnet vor: “Landwirte ohne Spaltboden haben die doppelte bis dreifache Arbeit.”

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Laut dem Ministerium von Johannes Rauch gibt es rund 27.000 Schweinehalter in Österreich. 21.500 davon betreiben konventionelle Viehzucht, darunter fallen aber auch Kleinsttierhalter und Hobbybetriebe. Rund 4300 Betriebe in Österreich dürften demnach Schweine in Vollspaltbuchten halten. Die meisten davon liegen in Oberösterreich, Niederösterreich und der Steiermark. Tierschützer kritisieren die Haltung auf Vollspaltböden. Ein Viertel aller Schweine hätte verletzte Fußballen, und nahezu jedes Schwein, das so gehalten wird, sei krank oder verletzt, meint der Verein gegen Tierfabriken (VGT).

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Aber andere Haltungsformen machen das Fleisch teurer. Hagspiel selbst hat Glück, erzählt er, weil sein Abnehmer bereit sei, für ein Schwein ohne Vollspaltboden einen fairen Preis zu zahlen. Er bekommt die Ferkel aus einer Zucht im Bregenzerwald, zieht sie selbst groß und verkauft sie an einen Metzger in der direkten Nachbarschaft. 35 Cent Aufschlag auf den Kilopreis erhält er dafür, dass er seine Schweine auf Stroh aufzieht. Im Supermarkt wäre das nicht möglich, fährt er fort. “Fast das komplette Schweinefleisch im Supermarkt ist Vollspaltenfleisch, das nicht aus Vorarlberg kommt.” Früher habe es mit dem Schlachthof efef und später Vonach noch Abnehmer für Vollspaltenfleisch im Land gegeben. Seit es den Schlachthof in Hohenems nicht mehr gibt, gebe es auch keine Nachfrage mehr im Land. Darum verwenden nur noch ein oder zwei Züchter im Land Vollspaltenböden.

Der Spaltbereich im Stall von Jürgen Hagspiel.<span class="copyright"> VN/Steurer</span>
Der Spaltbereich im Stall von Jürgen Hagspiel. VN/Steurer

Anders sieht es in den großen Zuchtländern Steiermark, Ober- und Niederösterreich aus. Dort gibt es wesentlich größere Schweinemastbetriebe als in Vorarlberg, viele davon mit Vollspaltboden ausgestattet. Neue Betriebe dürfen bereits seit 2023 keine Buchten mit Vollspaltboden bauen, mindestens ein Drittel muss befestigt und eingestreut sein. Aber es reicht auch, wenn auf einem Drittel des Bodens die Spaltenbreite von den normalerweise 20 Prozent auf zehn Prozent reduziert wird. “Dieser neue Standard (das „dänische Modell“) war ein Minimalkompromiss, der aus Sicht des Sozialministeriums nur eine Übergangslösung darstellen kann”, heißt es aus dem Ministerium von Johannes Rauch. Bis 2030 sollen auch alle bestehenden Ställe dieser Vorgabe folgen, fordert er.

Eigentlich hätten die Bauern bis 2040 Zeit gehabt. Doch der Verfassungsgerichtshof hielt diese Frist für zu lange und hob sie auf. Minister Rauch plant nun, dass diese Vollspaltböden bereits 2030 verboten sind. Der Verband der Österreichischen Schweinebauern kritisiert diese Frist. Schweinehaltung würde weitgehend unmöglich und Fleischimporten damit Tür und Tor geöffnet werden, so die Befürchtung. Jürgen Hagspiel formuliert es nicht so drastisch, teilt diese Befürchtung aber. “Landwirte brauchen Planungssicherheit. Wenn sie den Stall umbauen, müssen sie wissen, dass sie auch in zehn bis 20 Jahren noch Abnehmer finden, die bereit sind, für das Fleisch zu zahlen.” Die von der Bundesregierung angedachte Investitionsförderung sei zwar schon sinnvoll, aber langfristig reiche sie nicht.

Seine 300 Schweine wachsen in 14 Boxen auf. <span class="copyright">VN/Steurer</span>
Seine 300 Schweine wachsen in 14 Boxen auf. VN/Steurer

Seine Befürchtung: Supermärkte würden weiterhin billiges Fleisch anbieten und das dann einfach importieren. “Beim Fleisch aus dem Ausland interessiert die Haltung niemanden”, ist Hagspiel überzeugt und ergänzt: “Und je verarbeiteter das Produkt ist, desto weniger interessiert es jemanden. Bei der Salami auf der Tiefkühlpizza fragt niemand, woher sie kommt und wie die Tiere gehalten wurden.” Der Grund für den höheren Preis: Ohne Vollspaltboden muss jede Box in der Früh gereinigt und neu eingestreut werden. Wenn innerhalb der Box nur zwei Schweine sind, die ihr Geschäft nicht über den Spalten verrichten, wird es schnell wieder dreckig. “Dieses Problem hat der Vollspaltboden nicht”, betont der 44-Jährige.

Mehr fester Boden, weniger Spaltenboden. Vollspaltböden sollen bald verboten werden. <span class="copyright">VN/Steurer</span>
Mehr fester Boden, weniger Spaltenboden. Vollspaltböden sollen bald verboten werden. VN/Steurer

Er stellt aber auch klar: “Österreichische Landwirte wehren sich nicht gegen andere Haltungssysteme. Aber es muss klar sein, dass es ohne höheren Preis nicht geht.” Am Ende müssen also auch die Konsumentinnen und Konsumenten entscheiden, ob sie zum günstigeren Fleisch aus dem Ausland greifen – oder etwas mehr bezahlen. Es müssen ja nicht gleich Perlen sein.