Warum sich Alexandra, Albert und Kornelia in der Gemeindevertretung engagieren

Politik / 12.02.2024 • 19:45 Uhr
Warum sich Alexandra, Albert und Kornelia in der Gemeindevertretung engagieren
Alexandra Kügerl aus Weiler, Albert Hager aus Mellau und Kornelia Ender aus Götzis eint etwas: Sie sitzen in den Prüfungsausschüssen ihrer jeweiligen Gemeindevertretungen. Wir für Weiler/Zur Verfügung gestellt, VN/Matthias Rauch, Investbau/Zur Verfügung gestellt

Vor den Gemeindewahlen im nächsten Jahr: Was Menschen antreibt, die für wenig Geld und wenig öffentliche Aufmerksamkeit Freizeit in ihren Heimatort investieren.

Bregenz 2024 ist bekanntermaßen ein Superwahljahr. Die Vorarlbergerinnen und Vorarlberger können darüber mitentscheiden, wie 20 Mandate im Europäischen Parlament, 183 Sitze im Nationalrat und 36 Plätze im Landtag vergeben werden. Die wahre Superwahl folgt aber erst im März 2025. Dann werden nämlich 96 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie 1803 Gemeindevertreterinnen und Gemeindevertreter im Land neu gewählt. Auf den Listen mit Wahlvorschlägen stehen dabei Handwerkerinnen, Sekretäre und Informatikerinnen. Doch was treibt sie an? Warum stürzen sie sich in das Abenteuer Kommunalpolitik?

Da ist etwa Kornelia Ender. Die 57-jährige Götznerin sitzt seit 2015 in der Gemeindevertretung, zunächst für die FPÖ, seit 2020 für die „Bürgerbewegung Götzis“, sie ist auch deren Fraktionsobfrau. Zuvor war sie bereits Volksvertreterin in Meiningen: „Nach meinem Umzug habe ich gewusst, dass ich auch in Götzis wieder etwas bewegen möchte. Denn in der Gemeinde entscheiden wir über Angelegenheiten, die direkt vor der eigenen Haustüre sind.“ Der Zeitaufwand dafür schwanke, manchmal habe sie in einer Woche keine Termine, manchmal gleich fünf Sitzungen – mit breiter Themenvielfalt: „Ich sitze bei Jahreshauptversammlungen von Vereinen und kurz darauf diskutieren wir über die Wohnungsvergabe“, sagt sie den VN.

Kornelia Ender, Gemeindevertreterin Götzis („BürgerBewegung Götzis“)

„Es ist ein Ehrenamt. Man kann zum Wohle der Gemeinde mitarbeiten und zum Wohle der Gemeinde Entscheidungen treffen. Aber zum Beispiel als Ausschussobfrau hast du mehr Zeitaufwand, da geht es nicht ums Geld, sondern darum, dass wir uns dazu entschieden haben, Verantwortung zu tragen. Und da kann sich jeder gut einbringen.“

Warum sich Alexandra, Albert und Kornelia in der Gemeindevertretung engagieren
Kornelia Ender ist Gemeindevertreterin in Götzis. Investbau/zur Verfügung gestellt

Zudem ist Kornelia Ender als Mitglied der größten Oppositionsfraktion auch Obfrau des Prüfungsausschusses und schaut in dieser Funktion etwa dem Bürgermeister auf die Finger – zuletzt wieder rund um den Kiesabbau in Altach: „Das ist ein Mordsaufwand und das ist nicht einfach. Aber wir haben uns dazu entschieden, dass wir es machen und dann machen wir es ‘ghörig’.“

Mit 126 Stimmen Gemeindevertreter

Eine ähnliche Einstellung vertritt Albert Hager, dessen Arbeit – auch im Prüfungsausschuss – von Kollegen in der Gemeindevertretung als besonders gewissenhaft beschrieben wird. Der 60-jährige Mellauer ist seit rund 15 Jahren Kommunalpolitiker – 2020 wiedergewählt, aber nicht etwa, weil ihn eine Ortspartei nominierte, sondern weil 126 Dorfbewohner seinen Namen auf den Stimmzettel geschrieben hatten. Das freute ihn: „Wenn man politisch interessiert und ein bisschen engagiert ist, ist das eine tolle Aufgabe.“ Und er geht sogar noch weiter: „Wenn einem nicht alles egal ist, dann muss man mittun.“

Albert Hager, Gemeindevertreter Mellau (Mehrheitswahl)

„Wenn man politisch interessiert und ein bisschen engagiert ist, ist das eine tolle Aufgabe. Und wenn einem nicht alles egal ist, dann muss man mittun. Es ist aber keine lästige Pflicht. Natürlich ist es nicht immer gleich lustig und man muss es schon auch gerne tun, aber es ist nichts Großartiges, einmal im Monat auf eine Sitzung zu gehen.“

Warum sich Alexandra, Albert und Kornelia in der Gemeindevertretung engagieren
Albert Hager ist Gemeindevertreter in Mellau. VN/Matthias Rauch

Der Egger Bürgermeister, Paul Sutterlüty, Vizepräsident des Vorarlberger Gemeindeverbands, sieht das ähnlich: „Tatsache ist, dass man als Gemeindevertreter auf lokaler Ebene extrem viel bewegen kann – sicher mehr als im Landtag oder im Nationalrat. Es wird alles sehr zeitnah umgesetzt.“

So hätte sich das auch Alexandra Kügerl vorgestellt. Für die Liste „Wir für Weiler“ sitzt sie seit 2020 in der Gemeindevertretung: „Ich bringe Neugier und ein gewisses Maß an Idealismus mit.“ Es gehe ihr darum, mit interessanten Menschen Herzensanliegen, etwa im Familienbereich, umzusetzen, sagt die Mutter eines Kindes, aber: „Aktuell ist es zermürbend und frustrierend.“

Alexandra Kügerl, Gemeindevertreterin Weiler („Wir für Weiler“)

„Wir reden gerade darüber, ob wir noch einmal zu den Wahlen antreten. Denn eigentlich haben wir ein gewisses Maß an Idealismus, aber aktuell ist es zermürbend und frustrierend. Das Geld, das man bekommt, ist geringer als eine Aufwandsentschädigung, dafür macht man es nicht. Und die Sitzungen interessieren auch niemanden.“

Warum sich Alexandra, Albert und Kornelia in der Gemeindevertretung engagieren
Alexandra Kügerl ist Gemeindevertreterin in Weiler. Wir für Weiler/zur Verfügung gestellt

Der Grund: Verhärtete Fronten, die Alexandra Kügerl ortet: „Man hat das von Beginn an bemerkt. Sobald ein Vorschlag unsererseits kam, wurde er sofort abgelehnt, weil es wir waren.“ Auch ihre Tätigkeit im Prüfungsausschuss werde torpediert, „als ich eine normale Belegprüfung machen wollte, wirkten alle ganz erschrocken“, sagt die Bilanzbuchhalterin. Als Zugezogene gehe es ihr dennoch wahrscheinlich besser als alteingesessenen Dorfbewohnern: „Jeder Verbesserungsvorschlag wird sofort als persönlicher Angriff verstanden.“

Die Folge: „Hätten sich auf der Liste nicht so tolle Leute zusammengefunden, würde ich nicht so regelmäßig zu den Sitzungen gehen.“

„Extrem wichtiger Anknüpfungspunkt“

Doch warum engagieren sich Menschen überhaupt politisch? Laurenz Ennser-Jedenastik, Politologe an der Universität Wien, nennt im VN-Gespräch zwei Hauptgründe: Zum einen hätten viele Politiker einen altruistischen Antrieb außerhalb enger Eigeninteressen: „Da kann von ‘Ich möchte die Welt gerechter gestalten’ bis zu konkreten Forderungen für den Ort alles dabei sein.“ Im Gegensatz dazu gebe es aber auch genug Menschen, die sich für den persönlichen Vorteil engagieren: „Vielleicht knüpft man in der Gemeinde wichtige Kontakte, die einem helfen, ein höheres Amt anzustreben.“

Laurenz Ennser-Jedenastik ist Politikwissenschaftler an der Universität Wien. <span class="copyright">Parlamentsdirektion/Thomas Topf</span>
Laurenz Ennser-Jedenastik ist Politikwissenschaftler an der Universität Wien. Parlamentsdirektion/Thomas Topf

Konkrete Zahlen über die Sozialstruktur von Gemeindevertretern kennt Ennser-Jedenastik nicht, zumindest Parteimitglieder seien aber durchschnittlich älter als die Gesamtbevölkerung und mehr Parteimitglieder kämen aus dem ländlichen Raum: „Das hat wahrscheinlich damit zu tun, dass unsere Gemeindestruktur so klein ist und ich am Land pro Kopf viel mehr Gemeindevertreter benötige.“ Der Job eines Gemeindevertreters sei auch so relevant, weil Gemeinden ein extrem wichtiger Anknüpfungspunkt für Bürgerinnen und Bürger seien: „Der Bürgermeister hat eine Verantwortung, zu dem kann ich einfach hingehen.“

Oder wenn dem Volk die Arbeit des Bundeskanzlers nicht gefällt: „Auch das merken die Bürgermeister relativ schnell.“