Mangott über Nawalny-Tod: „In Russlands Opposition ist eine Wüste hinterlassen worden“

Alexej Nawalny ist tot. Damit ende auch ein letztes Aufbäumen der russischen Opposition, sagt der Politikwissenschaftler Gerhard Mangott.
Moskau, Innsbruck Der russische Oppositionsführer Alexej Nawalny ist tot. Laut Angaben der staatlichen Behörden fühlte sich der 47-Jährige nach einem Spaziergang in Haft unwohl und verlor daraufhin das Bewusstsein. Eine unabhängige Bestätigung dafür und für den Tod selbst gab es bis zuletzt nicht; Nawalnys Pressesprecherin Kira Jarmysch informierte darüber, dass ein Anwalt auf dem Weg in das Gefängnis sei, in dem Nawalny untergebracht wurde.

In die Anstalt der höchsten Sicherheitsstufe in der Stadt Charp, etwa 1900 Kilometer nordöstlich von Moskau, war der Kreml-Kritiker vor wenigen Wochen verlegt worden. Erst diese Woche hatte es Berichte darüber gegeben, dass Nawalny bereits zum 27. Mal für eine Dauer von 15 Tagen in Einzelhaft gebracht worden sei.
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Kurz nachdem die Meldung über Nawalnys Tod bekannt wurde, äußerte sich der Politikwissenschaftler Gerhard Mangott in den sozialen Medien: „Ein grausames Verbrechen des russischen Staates.“ Im Telefonat mit den Vorarlberger Nachrichten präzisiert der Professor für Internationale Beziehungen und Sicherheit im postsowjetischen Raum an der Universität in Innsbruck: „Schuld an seinem Tod ist jedenfalls die Behandlung im Gefängnis, in dem er ja seit dem 17. Jänner 2021 gesessen ist.“

Das war der Tag, an dem Nawalny aus Deutschland zurückkehrte und sofort nach seiner Einreise am Flughafen von Moskau verhaftet wurde. An der Berliner Charité war er zuvor nach einem Giftanschlag durch das Regime von Russlands Präsident Wladimir Putin in Behandlung, die Ärztinnen und Ärzte retteten ihm dort sein Leben. Später, im August 2023, wurde Nawalny in einem – als Schauprozess geltenden – Verfahren am Moskauer Stadtgericht wegen „Extremismus“ zu 19 Jahren Haft verurteilt. Seine politische Bewegung wurde verboten, enge Mitarbeiter wurden inhaftiert oder flohen ins Ausland.

Mit dem Tod Nawalnys gehe auch das letzte Aufbäumen einer Opposition im autoritär regierten Land zu Ende, sagt Mangott den VN. „Schon vor Beginn des Ukraine-Kriegs hat Putin die personellen und institutionellen Grundlagen der Opposition in Russland ausgeschaltet. Es ist ja nicht nur Alexej Nawalny in Haft gewesen.“ Außerdem seien politische Parteien sowie unabhängige Medien, Radiosender und Fernsehstationen verboten worden, so Mangott. „Viele aus der liberalen Opposition und aus deren Wählerschaft sind aus Angst um ihre physische Sicherheit und aus Sorge um ihre Zukunft ins Ausland geflüchtet.“
Keine Auswirkungen auf die Präsidentenwahl
Auswirkungen auf die im März anstehende Präsidenten„wahl“ erwartet sich Mangott auch deshalb keine: „Das wird eine inszenierte Vorführung mit Manipulation und Betrug sein. Und die staatlichen Medien werden über den Tod sehr wenig, wenn überhaupt, berichten.“ Genauere Informationen würden also diejenigen erhalten, die mit sozialen oder ausländischen Medien arbeiten, „und die sind sowieso schon in Opposition zu Putin“, sagt Mangott: „Für diese Menschen wird es keinen anderen wählbaren Kandidaten geben.“ Schlussendlich rechnet der Politologe mit einer Zustimmung von 80 Prozent zu Putin, ein Thema sei nur die Wahlbeteiligung, die eine gewisse Höhe erreichen müsse: „Aber die kann man schließlich auch manipulieren.“

Die Haftbedingungen Nawalnys seien unmenschlich gewesen, fährt Gerhard Mangott fort. „Schlafentzug wurde als Folterinstrument eingesetzt, Nawalny saß sehr viel in Einzelhaft, und ihm wurde ausreichende medizinische Versorgung geweigert. Es könnte sein, dass ihn das physisch gebrochen hat.“ Aber, und das hält Mangott auch fest: „Psychisch sicher nicht, denn in seinen Auftritten aus dem Gefängnis heraus hat er immer Hoffnung verstrahlt. Er hat gesagt, er gebe nicht auf, er werde weitermachen, und er glaube, dass Russland irgendwann glücklich sein werde. Das war sein Spruch.“
„Aber jetzt, wo Nawalny tot ist, ist da eine Wüste hinterlassen worden. Es gibt niemanden, der in seine Fußstapfen treten könnte.“
Mit Material der Nachrichtenagenturen APA, DPA und AP.