Letzter Tag des Kurz-Prozesses: Die Verfahren der türkis-blauen Regierung

Im Strafprozess gegen den ehemaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz hat am Freitag im Wiener Straflandesgericht der letzte geplante Verhandlungstag begonnen. Um was es geht und was noch offen ist.
Wien Dem einstigen ÖVP-Chef wird vorgeworfen, im parlamentarischen Ibiza-Untersuchungsausschuss seinen Einfluss bei Postenbesetzungen für die Staatsholding ÖBAG heruntergespielt zu haben. Mit Kurz beschuldigt ist dessen damaliger Kabinettschef Bernhard Bonelli. Im Wesentlichen geht es um die Frage, ob Kurz in die Bestellung von Thomas Schmid zum ÖBAG-Chef involviert oder nur informiert war. Neben einer Verurteilung und bis zu drei Jahre Haft oder einem Freispruch ist auch eine sogenannte Diversion möglich. Dabei handelt es sich in der Regel um eine Geldstrafe ohne Schuldspruch und formelle Verurteilung.
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Anklage wegen Falschaussage hatte die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) erhoben. Als Beweismittel dienen hauptsächlich sichergestellte Chats des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der ÖBAG, Thomas Schmid, die im Rahmen der Casag-Ermittlungen auftauchten. Dieser hatte im Zuge seiner Zeugeneinvernahme die beiden Beschuldigten belastet, dem widersprechen Aussagen etwa der ehemaligen Finanzminister Hartwig Löger und Gernot Blümel (beide ÖVP) sowie einiger Aufsichtsräte und -rätinnen der ÖBAG. Auch Kurz und Bonelli beteuerten bis zuletzt ihre Unschuld.
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Das Verfahren ist nur eines von mehreren rund um den sogenannten Casag-Verfahrenskomplex. Der vermutete Deal innerhalb der türkis-blauen Regierung im Glücksspielbereich ist Namensgeber dieses Akts, in dem sich aber auch weitere Verfahrenskomplexe befinden.
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Casinos Austria AG
Die Casag-Ermittlungen rund um die Besetzung des Casinos Austrias-Vorstandes haben ihre Wurzeln in Aussagen des ehemaligen FPÖ-Chefs Heinz-Christian Strache im Ibiza-Video: “Novomatic zahlt alle”, sagte Strache in dem 2017 heimlich aufgenommenen Video.
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Bei der Causa rund um die teilstaatliche Casinos Austria AG (Casag) geht es um einen vermuteten Deal innerhalb der türkis-blauen Regierung Kurz I im Glücksspielbereich. In der Causa wird nach einer anonymen Anzeige seit Juni 2019 ermittelt. Der Vorwurf: Es soll es eine ÖVP-FPÖ-Vereinbarung gegeben haben, den den Freiheitlichen nahestehenden Peter Sidlo auf einem Ticket von Casag-Miteigner Novomatic in den Casag-Vorstand zu entsenden – obwohl er für diesen Posten nur wenig qualifiziert gewesen sein soll. Im Gegenzug soll die FPÖ etwa Entgegenkommen bei etwaigen Gesetzesänderungen beim kleinen Glücksspiel nach der Wiener Wahl signalisiert haben.
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ÖVP-Umfragen-Affäre
Ermittlungen der WKStA gibt es auch in der sogenannten Inseraten- und Umfrage-Affäre der ÖVP – und zwar seit 2021. Hier lautet der Vorwurf, dass mit Steuergeld aus ÖVP-geführten Ministerien Umfragen bezahlt und in Medien platziert worden seien. Profitiert haben sollen davon Kurz und die ÖVP. Die Ermittlungen basieren ebenfalls auf Auswertung von Handy-Chats, aber auch auf den Aussagen von Schmid. Dieser gibt zu, dass die im Akt der Behörde dargestellte Verdachtslage “im Wesentlichen” zutrifft. Die Idee zum sogenannten “Beinschab-Tool” (in der Tageszeitung “Österreich” veröffentlichten und vom Finanzministerium bezahlten gewünschten Umfragen der Meinungsforscherin Sabine Beinschab) sollen demnach erstmals mit Kurz zu dessen Zeit als Außenminister besprochen worden sein. Kurz bestreitet die Vorwürfe. Schmid belastet in dieser Causa nicht nur den ehemaligen ÖVP-Chef, sondern auch dessen damals engsten Vertraute, wie den Ex-Kanzlersprecher Johannes Frischmann, weiters davon gewusst hätten auch Kommunikationsleiter Gerald Fleischmann und Kurz-Berater Stefan Steiner.
Steuercausa Wolf
Hier geht es um den Vorwurf, dass der Unternehmer Siegfried Wolf wegen einer Steuernachzahlung interveniert haben soll. Konkret geht es um einen verbotenen Deal zwischen Wolf und einer Finanzbeamtin. Die damalige Finanzamtsleiterin in Wiener Neustadt soll Wolf einen Steuernachlass gewährt haben, Wolf soll sich im Gegenzug beim früheren Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, dafür eingesetzt haben, dass sie dieselbe Funktion in Baden bekleidet. Auslöser für die Ermittlungen waren ebenfalls Chats am Handy von Schmids Handy. Die drei Personen werden in dieser Causa als Beschuldigte geführt. Alle betonen ihre Unschuld. Schmid hatte ausgesagt, diesbezüglich die Verantwortung zu übernehmen, auch hier treffe die Verdachtslage zu.
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Finanzamt Braunau
Diese Causa betrifft ÖVP-Klubobmann August Wöginger, wobei Schmid auch diesen belastet (Verdacht auf Anstiftung zum Amtsmissbrauch). Wöginger soll laut einem Auslieferungsbegehren der WKStA als Abgeordneter bei Schmid als einstiger Kabinettschef des Finanzministeriums für die Bestellung eines oberösterreichischen ÖVP-Bürgermeisters zum Vorstand des Finanzamts für Braunau, Ried und Schärding im Jahr 2017 interveniert haben. Auch hier liegen Chats vor, in denen Schmid an Wöginger schrieb: “Wir haben es geschafft (…) Der Bürgermeister schuldet dir was!” Wöginger fand das “echt super”.
Freisprüche und Einstellungen
Bereits abgehandelt sind zwei Prozesse gegen Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Sowohl im Prikraf-Korruptions-Prozess als auch im Bestechlichkeitsverfahren um einen Aufsichtsratsposten in der Asfinag ging Strache wie seine Mitangeklagten mit einem Freispruch hervor.
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Auch weitere Ermittlungsverfahren, unter anderem gegen Ex-Finanzminister Gernot Blümel, wurden bereits eingestellt; ebenso jene Ermittlungen, die den Vorwurf einer vermuteten Finanzierung von Parteien über FPÖ-nahe Vereine am Rechnungshof vorbei betrafen.