Wiener Spionage-Thriller könnte auf den Staatsschutz abfärben

Politik / 05.04.2024 • 16:04 Uhr
ABD0042_20181112 – WIEN – …STERREICH: ++ THEMENBILD ++ Aussenansicht des Bundesamtes fŸr Verfassungsschutz und TerrorismusbekŠmpfung (BVT) aufgenommen am Montag, 12. November 2018, in Wien. – FOTO: APA/GEORG HOCHMUTH
Das ehemalige BVT in Wien. Nach einer Hausdurchsuchung folgte ein Untersuchungsausschuss und schließlich die Neugründung als DSN. Trotzdem gerät das BVT nicht aus den Schlagzeilen. APA

Der DSN muss es gelingen, dass das Vertrauen der Partnerdienste wegen des Spionage-Falls um Egisto Ott und Jan Marsalek nicht erschüttert wird, sagt der Experte.

Schwarzach Die jüngsten Enthüllungen um den ehemaligen österreichischen Nachrichtendienst BVT schockieren die Republik. Ein führender Beamter, ein umtriebiger Kollege und ein russischer Spion, die für Russland in Österreich spioniert haben. Was klingt wie im Film, ist in Österreich jahrelange Realität gewesen, wie mehrere Medien aufgedeckt haben. Der Hauptverdächtige, Egisto Ott, sitzt in Untersuchungshaft. Seine mutmaßlichen Spionagetätigkeiten könnten auch auf die Arbeit des neu gegründeten Nachrichtendienstes DSN abfärben, befürchtet Geheimdienstexperte Paul Schliefsteiner.

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Jeden Tag erblicken neue Details das Licht der Öffentlichkeit. Kürzlich berichtete der “Falter” über den Inhalt der Festnahmeanordnung gegen den ehemaligen Geheimdienstmitarbeiter Ott. Demnach hat der Kärntner “systematisch nicht für die Öffentlichkeit bestimmte geheime Tatsachen und Erkenntnisse, sowie personenbezogene Daten aus polizeilichen Datenbanken zum Zweck der Übermittlung an Jan Marsalek und an unbekannte Vertreter der russischen Behörden gesammelt”.

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Involviert war Ott offenbar in russische Aktivitäten gegen den Journalist Christo Grozev, der bis Anfang des Vorjahres in Wien lebte. Unter dem Vorwand, Extremisten zu beobachten, habe Ott zudem im Auftrag Russlands Regimegegner ausspioniert, die in Europa Schutz suchten, mutmaßt dann auch die Staatsanwaltschaft.

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Peter Schliefsteiner ist Direktor des “Austrian Center for Intelligence, Propaganda and Security Studies” (ACIPSS) in Graz. Er bewertet den Skandal als große Sache. “Wenn es ein Mann gewesen wäre, der für Russland gearbeitet hat, wäre es schon schlimm genug. Aber dass auch Abteilungsleiter Martin Weiss und der ehemalige Wirecard-Chef Jan Marsalek dabei waren, gibt dem noch einmal eine andere Dimension. Natürlich gilt für alle die Unschuldsvermutung.”

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Jetzt stelle sich die große Frage, wie der Skandal im Ausland wahrgenommen wird. Schon einmal stand das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) in den Schlagzeilen, als 2018 eine Razzia durchgeführt wurde. Das BVT wurde aufgelöst, an dessen Stelle trat die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN). Bei Nachrichtendiensten sei Vertrauen besonders wichtig, betont Schliefsteiner. “Nun muss die DSN den Partnerdiensten vermitteln, dass es sich um Altlasten handelt, die nicht mehr vorkommen können.”

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Auch der Verfassungsschutz der Bundesländer trägt einen neuen Namen. Anfang des Jahres ist aus dem Landesamt Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) das Landesamt Staatsschutz und Extremismusbekämpfung (LSE) geworden, erklärt Uta Bachmann, Leiterin des LSE in Vorarlberg. Sie betont: In Vorarlberg werde das Personal sorgfältig und sensibel ausgewählt. „Es gibt eine höhere Sicherheitsüberprüfung als bei anderen Polizisten. Zusätzlich gibt es eine Vertrauenswürdigkeitsprüfung, die ist am 1. Dezember 2021 eingeführt worden.“

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Die Vertrauenswürdigkeit wird in die Tiefe geprüft, also etwa, was den Auftritt in den sozialen Medien betrifft, wie die Finanzen aussehen und wie das Umfeld aussieht, auch die Familie. „Zudem versuchen wir auszuschließen, dass Angriffspunkte für eine Beeinflussung von Bediensteten vorhanden sind, damit sie nicht anfällig für Anwerbungsversuche durch fremde Nachrichtendienste sind“, erläutert Bachmann. Für diese Prüfung gibt es eine eigene Zuständigkeit in der DSN. „Und dann benötigt es bei der Auswahl von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern natürlich Fingerspitzengefühl.“

In Vorarlberg arbeiten derzeit 22 Bedienstete im Staatsschutz. Das LSE widmet sich vor allem der Extremismusbekämpfung, mit den Schwerpunkten der Bekämpfung von Rechtsextremismus und islamistischer Extremismus, sagt Bachmann. Spionage durch andere Staaten ist kaum Thema, da diese speziell im Umfeld von Einrichtungen internationaler Vertretungen zu finden ist.

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Die Politik reagiert auch auf den Fall. Die Grünen möchten den Spionageparagrafen verschärfen. Die ÖVP ist dafür, möchte im Zuge dessen aber die Geheimdienste mit mehr Befugnissen ausstatten. Sie fordert wieder eine Möglichkeit, Messengerdienste wie WhatsApp zu überwachen. Eine Forderung, die Geheimdienstexperte Schliefsteiner nachvollziehen kann. “Grundsätzlich ist klar, dass neue Techniken neue Befugnisse bedürfen. Das muss aber in einer großen sachlichen öffentlichen Debatte diskutiert werden. Schließlich geht es auch darum, was das für den Einzelnen bedeuten kann.” Er plädiert insgesamt für eine Organisationsreform – mehr Eigenständigkeit würde dem DSN guttun.