Frühere und längere Stimmabgaben: Landtag reformiert das Wahlrecht

Am Mittwoch beschließt das Landesparlament weitreichende Änderungen im Recht für Landtagswahlen und Gemeindewahlen. „Ordentliche“ Vorwahltage werden etwa zur Realität.
Bregenz Im letzten Wiener Gemeinderatswahlkampf gab Magnus Brunner alles. Der Bregenzer, damals noch Staatssekretär im Klimaschutzministerium, meldete sich mit einem Video in den sozialen Medien zu Wort. Und wandte sich, im Dialekt, an die Vorarlberger Studierenden in der Hauptstadt: „I woas, es isch agängig, am Morga früah ufzumstoh, aba z’Wian gits koa Usred; z’Wian hond d’Wahllokale bis am Füfe am Nommitag offa.“ Im Gegensatz zu Brunners Heimat. In Vorarlberg schließen die Wahllokale traditionell spätestens um 13 Uhr.
Das hätte eigentlich nie so sein müssen. Im Gesetz steht gar nicht genau, bis wann die Wahllokale in Vorarlberg geöffnet haben dürfen – Gemeindewahlbehörden hätten bisher schon entscheiden können, die Stimmabgabe vor Ort etwa bis 22 Uhr zu ermöglichen. Bis jetzt. Der Landtag beschließt am Mittwoch eine große Novelle des Wahlrechts für Landtagswahlen und Gemeindewahlen. Damit schreiben die Abgeordneten auch erstmals eine konkrete Uhrzeit in die Gesetze: „Das Ende der Wahlzeit darf nicht später als auf 17 Uhr festgesetzt werden“ wird dort künftig stehen.
Um 17 Uhr müssen die Stimmen abgegeben sein
Der Bürgermeister von Lustenau, Kurt Fischer, glaubt aber nicht, dass diese Möglichkeit in Zukunft ausgenutzt wird – geschweige denn flächendeckend im ganzen Land. „Das ist bei uns wirklich kein Thema“, sagt der Vizepräsident des Gemeindeverbands im VN-Gespräch, auch wenn er natürlich nicht für alle 96 Gemeinden sprechen könne. Bisher sei man gut damit gefahren, die Türen zu den Wahllokalen spätestens um 13 Uhr zu schließen.

Kritischer zum vergleichsweise frühen Wahlschluss in Vorarlberg war Robert Stein, bis Februar 2023 Leiter der Wahlabteilung im Innenministerium: „Österreich ist einzigartig, weltweit ist ein einheitlicher Wahlschluss üblich. Aber mit Blick auf die große Menge an Wahllokalen und die bürgerfreundlichen Wahlkarten findet sich naheliegenderweise keine politische Mehrheit, das zu ändern“, sagte er zuletzt im „profil“-Interview.

Kathrin Stainer-Hämmerle glaubt nicht, dass ein späterer Wahlschluss notwendig ist, etwa um die Wahlbeteiligung zu erhöhen. „Solche Änderungen im Wahlrecht haben selten einen längerfristigen Effekt. Wer ein passendes politisches Angebot vorfindet und deshalb seine Stimme abgeben will, tut das auch, wenn das Wahllokal nur kurz offen hat“, sagt die Politikwissenschaftlerin von der Fachhochschule Kärnten den VN: „Nur ein kleiner Teil verschläft tatsächlich.“
Vorwahltag mit Wahlzelle
Viel spannender seien die Vorwahltage. Künftig werden auch direkt in Vorarlbergs Gemeindeämtern Wahlzellen zu sehen sein. Für all jene Menschen, die eine Wahlkarte vor Ort beantragen, diese gleich unter Wahrung des Wahlgeheimnisses ausfüllen und dann sofort wieder abgeben wollen – auch schon Wochen vor dem eigentlichen Wahltag. Bürgermeister Fischer glaubt, dass das auch ein Ansporn sein könnte, überhaupt zu wählen – für Menschen, die eigentlich wegen eines anderen Anliegens das Rathaus besuchen.

Laut Stainer-Hämmerle ist dabei zu bedenken, dass sich die Ausgangslage bis kurz vor dem Wahltag noch ändern könnte und erwähnt das „Ibiza-Video“. Das Video wurde erst eine Woche vor der Europawahl 2019 veröffentlicht. „Manche wollten dann ihre Stimme noch einmal ändern, das ging nicht“, sagt die Politologin: „Aber das ist das persönliche Risiko des Wählers.“
Barrierefreiheit und genauere Sprengelwahlergebnisse
Weitere Änderungen im Gesetzespaket sind eher technischer Natur, zum Beispiel, was den Umgang mit Briefwahlkarten betrifft. Alle, die bis zum Freitag vor der Wahl um 12 Uhr bei der Gemeinde ankommen, werden noch auf den jeweiligen Sprengel des Wählers verteilt und dort ausgezählt. Damit muss nur mehr ein minimaler Teil der Wahlkarten am Montag nach der Wahl zentral in der Gemeinde ausgezählt werden. Die Folge: Genauere Ergebnisse liegen schneller vor.

Außerdem neu in den Gesetzen: „Alle Wahllokale müssen für Menschen mit Behinderungen barrierefrei erreichbar sein. Für blinde und schwer sehbehinderte wahlberechtigte Personen sind geeignete Leitsysteme oder gleichwertige Lösungen vorzusehen.“ Das gilt ab 2028. Damit orientiert sich das Land an der Wahlrechtsnovelle im Bund, die 2023 beschlossen wurde. Wie überhaupt mit allen Änderungen: Unter anderem erhalten Beisitzer in Zukunft eine Entschädigung für ihre Arbeit; etwa 66 Euro, wenn das Wahllokal bis zu sechs Stunden geöffnet hat. Hierfür geht die Landesregierung von zusätzlichen Kosten von rund 150.000 Euro pro Wahl aus. Dazu kommen zum Beispiel erhöhte Postgebühren, weil Wahlkarten in Zukunft großteils eingeschrieben versandt werden müssen. Aber das ist dem Land die Demokratie wert.
