Viele können sich Urlaub nicht mehr leisten

Politik / 09.04.2024 • 17:30 Uhr
ABD0199_20230804 – PADERBORN – DEUTSCHLAND: ILLUSTRATION – 31.01.2017, Nordrhein-Westfalen, Paderborn: ILLUSTRATION – MŸnzen im Wert von fŸnf Euro liegen in einer Hand Ÿber einem Portemonnaie. SozialverbŠnde warnen vor steigender Armut durch die geplanten KŸrungen der Bundesregierung im Bundeshaushalt 2024 (zu dpa: ÇSozialverbŠnde warnen vor steigender Armut durch geplante KŸrzungenÈ) Foto: Friso Gentsch/dpa +++ dpa-Bildfunk +++. […]
Vielen Menschen fehlt das Geld für größere oder unerwartete Ausgaben. DPA

Jeder Dritte aus dem unteren Einkommensdrittel hat ein Problem damit, sich eine Woche Urlaub zu leisten. Sozialminister fordert eine Rückkehr zur Mindestsicherung und einen generellen Mietendeckel.

Schwarzach, Wien Wie geht es den Österreicherinnen und Österreichern finanziell? Am Dienstag hat das Sozialministerium dessen neuen Tätigkeitsbericht veröffentlicht. Darin ist es auch umfassend dieser Frage nachgegangen. Das Resultat: Einigen in Österreich geht es so schlecht, dass sie sich vieles nicht leisten können. Rauch fordert deshalb wenige Monate vor Ende seiner Amtszeit einige Reformen im Sozialbereich.

Das Sozialministerium unterscheidet zwischen drei Einkommensgruppen – und zeigt, wie es den Gruppen geht. Ein Beispiel: Mehr als jede dritte Person in der unteren Einkommensgruppe kann sich keine Woche Urlaub leisten. 14 Prozent müssen darauf verzichten, jeden zweiten Tag Fleisch, Fisch oder vergleichbare vegetarische Speisen zu kaufen. Und 10 Prozent schaffen es nicht, Miete, Betriebskosten oder Kredite pünktlich zu bezahlen. Fünf Prozent können sich nicht leisten, ihren Wohnraum zu heizen. Selbst in der mittleren Einkommensgruppe haben elf Prozent ein Problem damit, eine Woche Urlaub zu bezahlen.

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18 Prozent der Menschen im niedrigen Einkommensdrittel geben an, dass es für das Kind im Haushalt nicht möglich ist, regelmäßige Freizeitaktivitäten auszuführen, die etwas kosten. Bei acht Prozent ist es für das Kind nicht möglich, Freunde zum Spielen und Essen einzuladen.

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Insgesamt sind weniger Österreicherinnen und Österreicher mit der finanziellen Situation zufrieden. 28 Prozent gaben an, sehr zufrieden zu sein. Vor einem Jahr sind es 32 Prozent gewesen. 22 Prozent aller Befragten sahen in Wohnkosten eine schwere Belastung. Vor einem Jahr waren es noch 18 Prozent. Insgesamt berichten 17 Prozent, dass sie mit Schwierigkeiten kämpfen, überhaupt die laufenden Kosten zu stemmen.

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Sozialminister Johannes Rauch freut sich einerseits, dass trotz der Teuerungskrise die Zahl der armutsgefährdeten Menschen im Land weitgehend stabil geblieben ist. Kurz vor Ende seiner Amtszeit stellt er einen Fünf-Punkte-Plan vor, damit es besser wird. So pocht Rauch zum Beispiel erneut auf die Kindergrundsicherung in Form von Sach- und Geldleistungen. Eine Forderung, die Michael Diettrich von der Vorarlberger Armutskonferenz zwar begrüßt. Aber: “Ich bin auch ein bisschen skeptisch, dass man sich so auf die Kinder konzentriert. Denn die Armut der Kinder ist die Armut der Eltern. Aber ich unterstütze den Prozess in Vorarlberg, der eine Kindergrundsicherung erarbeiten soll.

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Rauch fordert zudem, dass die Sozialhilfe wieder zu einer Mindestsicherung wird. Die Sozialhilfereform unter Türkis-Blau sei dafür verantwortlich, dass Menschen in Österreich nicht genug zu essen haben oder ihre Wohnung nicht angemessen heizen können, sagt Rauch. Auch Vertriebene aus der Ukraine und subsidiär Schutzberechtigte sollen in die Mindestsicherung. Und der Sozialminister möchte ein dauerhaftes öffentliches Wohnbauprogramm und 30.000 neue gemeinnützige Wohnungen in den kommenden fünf Jahren. Und: “Ein Mietpreisdeckel muss für alle Wohnungen gelten.” Zudem soll der Wohnschirm, der bei zu hohen Wohnkosten hilft, mit 100 Millionen Euro pro Jahr jährlich abgesichert werden.

Auch hier findet er Zustimmung von der Armutskonferenz. “Wir sind nicht umsonst beim Thema leistbaren Wohnen dran.” Das sei eine ganz wichtige Gruppe von Menschen, schließlich könne man sich da auch um jene kümmern, die Angst davor haben, in eine prekäre Situation abzurutschen. “Wenn man diese Menschen wirklich absichern möchte, dann muss man etwas im Bereich Wohnen tun. Zum Teil geschieht das mit der Wohnbeihilfe. Viel wichtiger wäre es, leistbar zu bauen:”

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Der Sozialbericht enthält eine Fülle als Zahlenmaterial über die Situation in Österreichs Haushalten. Acht Prozent aller Österreicherinnen und Österreicher mit Job werden beispielsweise als “working poor” bezeichnet. Das sind jene Erwerbstätigen, die trotz Job unter der Armutsgefährdungsschwelle liegen: 331.000 Personen in Österreich. Und vier Prozent aller Menschen ab 16 mit niedrigem Einkommen können sich kein Internet leisten. “Digitale Ausgrenzung bedeutet auch Beschränkungen in sozialer, kultureller und politischer Teilhabe” heißt es dazu im Sozialbericht.

Zur Erklärung: Den Berechnungen liegt das sogenannte äquivalisierte Haushaltseinkommen zugrunde, das alle Einkommen und Ausgaben zusammenrechnet, je nach Haushaltszusammensetzung gewichtet und daraus ein theoretisches Haushaltseinkommen pro Person errechnet. Die Einkommensgruppe mit niedrigen Einkommen sind jene Personen, die 60 Prozent oder weniger des Mittelwerts zur Verfügung haben. Das sind höchstens 16.706 Euro und betrifft rund 1,3 Millionen Personen in Österreich – also rund 15 Prozent. Die mittlere Einkommensgruppe besteht aus 76,5 Prozent der Bevölkerung. Die 6,8 Millionen Österreicherinnen und Österreicher haben zwischen 16.706 und 50.119 Euro pro Jahr zur Verfügung. 770.000 Österreicher fallen in die dritte Einkommensstufe darüber.

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