War die BVT-Affäre von Russland gesteuert?

Politik / 15.04.2024 • 18:00 Uhr
Anna Thalhammer profil Chefredakteurin
Profl-Chefredakteurin Anna Thalhammer recherchiert seit vielen Jahren zum BVT.

Journalistin Anna Thalhammer im Interview über den Skandal um Egisto Ott, Jan Marsalek und den Verfassungsschutz.

Schwarzach Seit Wochen erschüttert ein Geheimdienstskandal Österreich. Mitarbeiter Egisto Ott soll Handys nach Russland geschickt haben, er sitzt in Untersuchungshaft. Auch ein Abteilungsleiter soll involviert sein – alle im Dienste des ehemaligen Wirecard-Chefs Jan Marsalek. Da kann man schon einmal den Überblick verlieren. Wer hat wen ausspioniert? Und wie? Und was bedeutet es für Österreichs Sicherheit? Profil-Chefredakteurin Anna Thalhammer recherchiert seit vielen Jahren über das BVT. Im VN-Interview beantwortet sie die wichtigsten Fragen zum Skandal.

Was ist denn da im Verfassungsschutz passiert?

Anna Thalhammer: Offensichtlich geht diese ganze Geschichte ein paar Jahre zurück, ins Jahr 2016/2017 oder vielleicht noch länger. Damals hat sich eine Gruppe Personen zusammengefunden, die der Meinung war, dass man sich gegen einen Staat wenden muss, den sie einmal beschützt hat. Wann man die Ermittlungsakten liest, sieht es so aus, als haben sie begonnen, für Russland zu spionieren. Und diese kleine Gruppe hat es mutmaßlich geschafft, in einigen großen Skandalen eine Rolle zu spielen. Sei es die Razzia im BVT, sei es Ibiza, sei es die Wirecard-Causa.

Wie hat die Gruppe für Russland spioniert?

Thalhammer: Mastermind dürfte der ehemalige Wirecard-Chef Jan Marsalek sein. Ein Österreicher, der seit der größten deutschen Wirtschaftspleite seit Jahrzehnten  im Jahr 2020 auf der Flucht ist. Er wird in Moskau vermutet und dürfte von dort aus auch nach seiner Flucht einen Spionagering geleitet haben. Wasserträger in Österreich dürften auf unterschiedliche Art und Weise Informationen besorgt haben. Da wurden Handys von hohen Geheimnisträgern gestohlen und übermittelt. Da geht es um speziell verschlüsselte Laptops, die ihren Weg nach Moskau gefunden haben sollen. Man hat Daten über Personen gesammelt, teilweise durch Abfragen im Polizeicomputer. Darunter viele Menschen, die von Putin verfolgt wurden. Es wurden also Leben gefährdet. Und es sieht so aus, als sei Geld geflossen.

Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Iframely angezeigt.

Welche Rolle hat diese Gruppe bei der BVT-Razzia im Jahr 2018 gespielt?

Thalhammer: Da sind ein ehemaliger Abteilungsleiter des BVT und Egisto Ott involviert. Es sieht so aus, als hätten sie den BVT-Skandal angezündet. Durch falsche Pamphlete, die verteilt worden sind. Durch Aussagen bei der Justiz, die sich als Blödsinn herausgestellt haben. Die große Frage, die sich jetzt stellt, lautet, ob Marsalek dazu beigetragen hat. Er hat seine Vorstellungen zum BVT schon zuvor bei der FPÖ deponiert. Und deshalb die Frage: War die BVT-Affäre, die das Herz der österreichischen Sicherheit gesprengt und für Jahre ausgeschaltet hat, eine von Russland gesteuerte Aktion?

Warum hat die Justiz mit einer Razzia auf die Vorwürfe reagiert?

Thalhammer: Die haben nicht ordentlich gearbeitet. Im Nachhinein ist die BVT-Razzia auch ein Justizskandal.

Welche Rolle hat die Gruppe bei Ibiza gespielt?

Thalhammer: Sie hat versucht, der FPÖ einzureden, dass alles ein ÖVP-Komplott ist und aus dem BVT gesteuert wurde. Sie haben da auch mit vielen Vorwürfen gearbeitet, was im Hintergrund zu ziemlichen Verwerfungen geführt hat. Am Ende des Tages rütteln solche Dinge am gepflegten Diskurs, weil das Misstrauen der Parteien untereinander größer wird.

Wie lange hat die Gruppe agiert?

Thalhammer: Man hat über Jahre für Jan Marsalek nachrichtendienstliche Tätigkeiten erfüllt. Bis ins Jahr 2022 ist das nachweisbar, also auch nachdem die Vorwürfe schon lange bekannt waren und die Personen schon in Untersuchungshaft gesessen sind. Man fühlte sich trotzdem sicher, sie hatten von der Justiz nichts zu befürchten, was sich leider mehrfach bewiesen hat.

Warum ging das so lange gut?

Thalhammer: Spätestens seit 2020 hätte die Justiz deutlich mehr tun müssen. Die Ermittler haben ordentlich vorgelegt im Akt, da ist nicht schlecht ermittelt worden. Es wurden daraus nur nicht die richtigen Schlüsse gezogen. In Österreich gibt es keine Sensibilität für Spionage, was schwierig ist, weil Putin gerade einen Krieg gegen den Westen führt. Ohne Waffen, ohne Panzer, aber mit anderen Mitteln.

Haben Sie bei den Recherchen gespürt, dass Sie sich mit Nachrichtendienstlern anlegen?

Thalhammer: Ich weiß jetzt, dass ich ausspioniert und beschattet wurde. Sie haben das mit mir gemacht, was sie mit allen gemacht haben, die sie loswerden wollten: Lügen verbreitet, Dossiers erstellt, einen schlecht gemacht. Vielleicht wollten sie auch bei der Justiz dafür sorgen, dass sie etwas unternimmt. Das ist in meinem Fall nicht gelungen, bei vielen anderen schon. Der für Russland zuständige Spionageabwehrchef war komischerweise einer der Ersten, der im BVT-Skandal keinen Job mehr hatte. Die Ermittler, die als Erstes gegen Ott ermittelt hatten, mussten gehen.

Wer trägt die Verantwortung?

Thalhammer: Gute Frage. Das kann man an keiner Stelle festmachen, es hat an vielen Stellen nicht funktioniert. Die wenigsten üben sich in Selbstkritik, was aber dringend nötig wäre, damit man so etwas künftig verhindern kann.

Wie ist der Staatsschutz jetzt aufgestellt?

Thalhammer: Das BVT musste sich nach dem ganzen Wahnsinn reformieren und heißt jetzt Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN). Das wurde aus falschen Gründen notwendig, aber viele Dinge sind nach der Reform deutlich besser. Die intensive Prüfung der Mitarbeiter an sensiblen Stellen zum Beispiel. Es hat nicht wenig Mitarbeiter gegeben, die dann den Job gekündigt haben, weil sie sich der Sicherheitsprüfung nicht stellen wollten. Die DSN kämpft an vielen Fronten und hat zu wenig Mitarbeiter. Wir haben ein Problem mit Spionage, Terrorismus, mit Rechtsradikalen. Da braucht es deutlich mehr Mittel und Personal. Und es braucht gesetzliche Anpassungen, die helfen, dagegen vorzugehen. Diese Möglichkeiten sind jetzt eher bescheiden.