Tempo 30 auf Landesstraßen: “Es geht um unsere Sicherheit!”

Politik / 17.04.2024 • 17:37 Uhr
Eine Bürgerinitiative fordert Tempo 30 auf der Radetzkystraße.
Die Anrainerinnen und Anrainer der Radetzkystraße hoffen auf eine Temporeduktion. VN/Paulitsch

Viele Städte und Gemeinden möchten Tempo 30 oder 40 auf Landesstraßen einführen. Der Nationalrat hat ihnen jetzt eine Möglichkeit gegeben.

Hohenems Autos, Autos, Autos. Am Mittwoch gehört die Radetzkystraße in Hohenems eindeutig den Autos – an Wochenenden ist es anders, erzählt Anwohnerin Andrea Herbst. “Am vergangenen Wochenende ist ein Motorrad nach dem anderen die Straße entlanggefahren. Die geben schon Gas.” Das bedeutet: Es ist laut und gefährlich. “Viele fahren zu schnell”, sagt Herbst. Sie hat sich deshalb mit einigen Anwohnerinnen und Anwohnern zusammengeschlossen, um eine Geschwindigkeitsreduktion zu fordern. Das Problem: Es ist eine Landesstraße, die Gemeinde kann nichts ändern. Die Lösung: Ein neues Gesetz, das Gemeinden die Möglichkeiten schafft. Der Nationalrat hat das Gesetz am Mittwoch mehrheitlich beschlossen.

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An der Radetzkystraße ist es laut. Die Gruppe mit Andrea Herbst muss sich teilweise anschreien, um sich zu verstehen. “Der Lärm ist eine psychische Belastung. Es ist brutal, was an schönen Wochenenden hier abgeht.” Allerdings ist der Lärm nicht das einzige Problem. “Uns geht es vor allem um die Sicherheit. Die Fußgängerübergänge sind gefährlich, zudem sind neue Wohnhäuser geplant. Es muss kein 30er sein, auch bei einer 40er-Zone wäre uns schon geholfen.”

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Ob Bregenz, Bürs, Dornbirn, Lustenau oder Hohenems – mehr als 50 Städte und Gemeinden haben sich in Vorarlberg für eine Änderung der Straßenverkehrsordnung ausgesprochen. An vielen Orten haben sich zudem Bürgerinitiativen zusammengeschlossen, um Ruhe in die Landesstraßen zu bringen. Die Gemeindepolitik darf allerdings nichts entscheiden, zuständig für die Landesstraßen ist die Bezirkshauptmannschaft. Bisher waren die Unfallzahlen ausschlaggebend – und die Bezirkshauptmannschaft musste die Ansuchen der Gemeinden ablehnen, weil es zu wenig Unfallopfer gab. “Hätten wir mehr Verletzte und Tote gehabt, wäre der 30er in Ordnung gewesen”, erinnerte sich etwa der Bürser Bürgermeister Georg Bucher in den VN.

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Der Nationalrat hat ihm am Mittwoch ein zusätzliches Instrument in die Hand gedrückt. Die Abgeordneten haben mehrheitlich folgenden zusätzlichen Text in die Straßenverkehrsordnung geschrieben: “Die Behörde kann in Ortsgebieten in Bereichen mit besonderem Schutzbedürfnis wie zB Schulen, Kindergärten, Freizeiteinrichtungen, Krankenhäusern oder Senioreneinrichtungen die gemäß § 20 Abs. 2 erlaubte Höchstgeschwindigkeit verringern, sofern die Maßnahme zur Erhöhung der Verkehrssicherheit insbesondere von Fußgängern oder Radfahrern geeignet ist.” Das Gesetz tritt am 1. Juli in Kraft.

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Das bedeutet zwar weiterhin, dass die BH über den Wunsch einer Gemeinde entscheidet, allerdings sind die Kriterien wesentlich weiter gefasst. Verwaltungsjurist Peter Bußjäger von der Universität Innsbruck ist überzeugt: “Das ist eine deutliche Erleichterung gegenüber dem aktuellen Zustand.” Allerdings kann ein Bürgermeister jetzt nicht flächendeckend Tempo 30 verordnen. Er braucht eine Begründung. “Es wird jeweils eine Einzelfallentscheidung sein. Natürlich gilt: Wo kein Kläger, da kein Richter. Aber spätestens, wenn jemand geblitzt wird und die Strafe vor dem Verfassungsgerichtshof anficht, muss die Gemeinde die Geschwindigkeitsbeschränkung begründen.” Bei der Begründung hat sie allerdings Spielraum: Schließlich ist die Aufzählung “Schulen, Kindergärten …” nicht ausschließend. Eine Gemeinde muss erklären, weshalb an dieser Stelle ein besonderes Schutzbedürfnis herrscht. “Eine Wohngegend alleine wird nicht reichen. Aber ein Schulweg ist normalerweise nicht weit weg”, betont Bußjäger.

Andrea Herbst und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter sind überzeugt, dass das besondere Schutzbedürfnis in der Radetzkystraße vorhanden ist. Und, fügt die Hohenemserin an: “Seit dem Neubau des Rathauses hier rückt unser Stadtteil ins Ortszentrum.”

Eine Bürgerinitiative fordert Tempo 30 auf der Radetzkystraße.
In Sichtweite entsteht das neue Rathaus. Die Anwohner sind überzeugt: Jetzt rückt ihre Straße ins Ortszentrum. Noch ein Grund für eine Temporeduktion. VN/Paulitsch